Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 19. November 1945
Absender:
R. Schmitz, 21 Lüdenscheid-Hellersen
Stabsgebäude, Zi. 23
Frau
Anna Schmitz
22 Köln-Dellbrück
Thurnerstrasse 27
Lüdenscheid, den 19.11.45
Mein liebes Mütterlein!
Heute erhalte ich Deinen lieben aber sorgenvollen Brief vom 14. des Monats. Ich danke Dir recht herzlich für Deine lieben Worte und für Deine guten Wünsche zur Besserung. Ich freue mich sehr, daß es Dir hier in Lüdenscheid sehr gut gefallen hat und lade Dich recht herzlich ein mich bald wieder für einige Tage zu besuchen. Ich würde sehr froh sein, wenn Du noch einmal kommen würdest, wir haben sehr viel noch zu besprechen, besonders über die Sorgen, die Du Dir jetzt machst.
Liebes Mütterlein, ich habe mit der Ria Haußmann Schluß gemacht, ernst und ehrlich. Ich habe restlos erkannt, daß sie nicht die Frau für mich ist, sie ist mir viel zu leicht und ohne Tiefe. Neben dieser Erkenntnis, ich bin ja auch nicht so dumm, spielt eine andere Frau eine Rolle. Ich habe mich verliebt und zwar in Schwester Heidi.
Zu Punkt 1. Bei Ria gefällt mir ihre Aufdringlichkeit nicht, es sieht ja so aus, als
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wenn sie bald geheiratet werden wollte; ich kann das nicht und will es erst recht nicht. Dann habe ich aber auch so Einiges über ihre Vergangenheit und Familie erfahren und muß dadurch feststellen, daß sie in keiner Weise zu mir paßt. Es würde nicht gut gehen, wenn wir zusammenkämen. Da kannst Du ganz ruhig sein, sie wird mich nicht mehr fesseln können, auch wenn ich nach Dellbrück komme.
Zu Punkt 2.
Schwester Heidi ist ein sonniger, froher und unbeschwerter Mensch mit sauberem Charakter. Sie verkörpert mir das Bild des deutschen Mädchens, der deutschen Frau. Sie wird mir auch treu bleiben, wenn ich Lüdenscheid verlasse, was hoffentlich recht bald der Fall sein wird. Heidi ist gesund, frisch, sie ist im Wesen sehr nett und freundlich und wird vor allen Dingen eine gute Hausfrau werden. Sie ist allerdings evangelisch! Doch glaube ich ist mein Einfluß so groß, daß sie konvertieren wird. Wir haben schon einmal
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darüber gesprochen. Auch würde ihre Mutter, der Vater verunglückte vor 7 Jahren, nicht zu große Schwierigkeiten machen. Heidis Erziehung, Heim usw. ähneln sich meinem Leben. Sie paßt auch in dieser Beziehung zu mir und auch zu Dir. Sie hat viel Geschmack und sehr geschickte Hände in kunstgewerblichen Arbeiten. Du mußt sie Dir ansehen, wenn Du mich wieder besuchen kommst. – Also, liebes Mütterlein, Du brauchst Dir wirklich keine Sorgen zu machen, Dein Junge ist jetzt so groß und alt und vernünftig, daß er nicht nur nach Äußerlichkeiten seine Frau und Lebensgefährtin aussucht. Seelische Tiefe und Innenleben überhaupt sind für eine gesunde Ehe das Wichtigste. Du mußt mir auch in dieser für mich schwierigsten Frage für mein Leben helfen, wie immer mein bester Kamerad sein. Ich will gerne Deinem Rat folgen. Die Wahl, die mein Herz traf wirst Du bestimmt billigen, wenn die konfessionelle Frage gelöst ist. Darüber möchte ich mit Dir dann noch mündlich mehr sprechen.
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Ich bin leider ein zu ungeschickter Briefschreiber um Dir Heidis Vorzüge und meine Gefühle für sie zu schildern. Ich kann wohl sagen, ich habe noch nie ein Mädchen so lieb gehabt. Diese Liebe ähnelt so sehr den Gefühlen, die ich für Dich hege. Ich achte und liebe Euch beide. – Also, Mütterlein, komme bald einmal und höre Dir an was mein übervolles Herz zu sagen hat. Ich glaube, ich habe richtig gehandelt. Dann wollte ich Dir noch zur Beruhigung schreiben, daß Ria Haußmann nur ½ Tag da war, Du darfst Dir wirklich keine Sorgen machen. Ich schrieb Dir, daß ich eine Hose eingetauscht habe, ich habe sie zum Schneider gebracht und hoffe, daß sie dann einigermaßen paßt. Der Stoff ist gut und wenig abgetragen. Fein hat das ja mit dem Oberhemd geklappt, zum Schluß des Briefes meine Kragenweite. Mit einer Reise nach Liebenwerda wird es ja nun nichts, weil die Engländer die Grenze für diese Reisende, die Angehörige suchen oder Sachen holen wollen gesperrt
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haben. Es muß also diesen Winter mit den Sachen gehen, die ich jetzt besitze.
Meinem Bein geht es gut. Es wird nur ganz wenig Sekret ausgeschieden, die Fisteln sind noch auf. Ich schone mich jetzt etwas um sie zum Schließen zu bringen und bald zu Dir zu kommen.
Hast Du viel Arbeit mit der Wohnung? Kaisers sind also wohl raus? Habe ich noch Hosenträger zu Hause? Du mußt verzeihen, wenn ich mit so vielen Wünschen komme. Es ist das Beste, Du kommst noch einmal selbst nach hier. Wenn Du bald kommst, können wir noch schöne Spaziergänge machen, und Du weißt, daß es auch verpflegungsmäßig geht. Du müßtest dann in der Panne, einem Restaurant in der Stadt essen. Ich hoffe also Dich bald hier wiederzusehen.
Mit frohem Gruß
und festem Kuß
bin ich
Dein Junge.
Wenden!