Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 11. Dezember 1945
Lüdenscheid, den 11.12.45
Mein liebes Mütterlein!
Heute muß ich Dir eine traurige Mitteilung machen, es gibt wahrscheinlich keinen Weihnachtsurlaub, der Tommy ist sich noch nicht klar über die Anzahl der Verwundeten, die er in Urlaub schicken soll. Die deutsche Dienststelle spricht von nur 50 Amputierten, die fahren können. Ich kann Dir also leider immer noch keine endgültige Nachricht zukommen lassen. Wie wirst Du Dich entschließen, wenn ich nicht nach Hause komme? Ich werde unter diesen Umständen kurz nach Neujahr kommen, Urlaub zur Regelung bürgerlicher Angelegenheiten muß man mir dann gewähren. Ich habe immer noch nichts gefunden, was ich Heidi schenken könnte, es muß doch eine Kleinigkeit sein. Leider habe ich hier keine Gelegenheit und auch zu wenig Geschick selbst etwas zu basteln. Kannst Du mir da raten und helfen? – Ich warte noch immer auf Nachricht von Dir, und bald mache ich mir Sorgen wegen Deines langen Schweigens. Bist Du erkrankt? Du mußt mir auch unbedingt schreiben wie es mit der Verpflegung ist, ob Du auskommst und satt wirst. Schickst Du mir bald die Nummer
des Sparkassenbuches? Hast Du Dich mit Flocki in Verbindung gesetzt, will er einmal für Dich nach L. fahren? Ab gestern sind allerdings die Reiseschwierigkeiten größer geworden.
Wie ist es mit der Heizungsfrage daheim? Sitzt Du in der kalten Wohnung? Wieviel Licht darfst Du im Monat brauchen?
Hat sich das Verhältnis zu Schlössers gebessert oder läßt Du es bei dem kühlen und spärlichen Verkehr bewenden. Wo ist denn der kleine Fritz jetzt endgültig? Kommt Willi bald heim? Ist Oma und Heinrich schon da? Das Alles mußt Du mir schreiben.
Bei uns ist soweit Alles beim Alten, mein Bein wird wieder kräftiger, die Eiterung hat aufgehört und die Fistel 1 ½ cm lang wird sich wohl auch noch schließen. Die Schonung tut gut. Täglich arbeite ich in Chemie, sodaß ich allmählich wieder drin bin. Mit Heidi ist es gut, ich bin der Überzeugung, daß sie die Richtige ist. Wenn sie auch nicht schön ist, sie ist gesund, jung, frisch und hat Herz. Die Religionsfrage ist die einzige, allerdings schwerwiegende Frage. Möge Gott uns darin helfen. Ich habe Post von Herrn Kirste, nach kurzem Soldatenspielen und Gefangenschaft hat er wieder seine Apotheke übernommen. Seine Familie ist gesund, bis auf seinen Schwager aus Obersteeg sind auch alle aus der weiteren Verwandschaft zurück. Der alte Gustav ist eben ein Glückspilz!
In Erwartung baldiger Antwort grüßt und küßt Dich Rudolf.