Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 27. Dezember 1945
Köln-Dellbrück, 27.12.45
Mein lieber Rudolf!
Am 1.ten Weihnachtsfesttag erhielt ich Deinen lieben Brief mit den guten Wünschen zum schönen Fest! Er hat nur leider mein Programm umgeworfen. Ich wollte nämlich heute früh hier abfahren, um Dich zu besuchen und für Dich etwas Gebäck + für Schwester Heidi die Mappe zu bringen. Du schreibst ja, daß Du eventuell verlegt wirst. Nun wollte ich nicht ins Ungewisse fahren, denn dafür ist die Reise zu umständlich! Nun will ich erst Deine nächste Post abwarten. Allerdings ist dann ja bald Neujahr, und da versprichst Du Deinen Besuch nach hier. Zunächst, wie ist es mit Deinem Bein? Was sagt die Röntgenaufnahme? Hast Du noch Fieber? Eitert die Wunde noch? Wirst Du reisen können? Auch für Dich wird die Reise eine Strapaze werden. Ich wünsche Dir von Herzen recht gute Besserung! Nun ist das schönste aller Feste vorbei, ich habe es still + würdig gefeiert! Wie hast Du es verbracht? Hattet Ihr auch eine Feier? Schade, schade, daß Du nicht zu Hause sein konntest! Ich hatte mich so sehr darauf gefreut! Und es wäre wohl, wenn auch arm an Geschenken, doch schön geworden. Leider hattest Du zum Fest noch nicht mal etwas Gebäck von Hause. Ich hätte es ja mitgebracht! Aber, ich verwahre Dir natürlich Dein Teil. Das Album mußt Du dann von hier aus an Schwester Heidi schicken! In diesem Jahr war mir die Christmette so schön wie nie. Eine Messe mit Orchester + Orgelbegleitung. Und
eine fast beängstigende Fülle. Nach der Mette kam Anneliese Heider zum Kaffee, ich hatte sie gebeten. So war ich nicht allein. Dann kamen Hanni + Liesel. Sonst kam niemand. Nachmittags war ich in der Komplet. Dann ging ich eben zu Finchen + Fritzchen und zum Schluß eine Stunde zu T. Klara. Um 9 ½ Uhr ging ich zur Ruhe. Oma ging aus der Mette mit Josef für den ganzen Tag nach Iddelsfeld! Dort hat sie sehr gut gelebt. Am 2ten Feiertag war es auch still, Oma bis zum Nachmittag noch in Iddelsfeld. Elli am Nachmittag hier bei mir. Am Abend hat Heinrich plötzlich sehr hohes Fieber + große Schmerzen ins Knie bekommen. Es schwoll mächtig an. Heute früh war Dr. Berhausen da. Heinr. muß sofort ins Krankenhaus. Er hat Eiter im Knie. Dr. Berh. meinte, es sei das Beste, man würde das Bein abnehmen. Es würde nie etwas Rechtes. Der arme Heinrich. Er sieht fürchterlich aus, so mager + so gelb. Nun ist Oma natürlich in großer Sorge. Es ist aber auch immer etwas. Er liegt in Bensberg. Alles war überfüllt! Auch unsere Schule hier. Das ist Städtisches Krankenhaus, Chirurg. Abteilung, Poliklinik + Röntgenabteilung. Du könntest Dich also auch hier behandeln lassen. Das tut Hubert Neu auch, der fast dieselbe Verwundung hat, wie Du. Nun kommt gerade Dein Brief vom 22.12. an. So weiß ich ja fast alle meine Fragen beantwortet! Kämst Du nur bald. Ich möchte ja gern mal wieder bei Dir sein. Mir gehts ziemlich. Nur über den Augen bin ich noch geschwollen. Die Augen sind ganz klein. Immer habe ich ein wenig Kopfschmerz.
Und nun mein Junge wünsche ich Dir ein glückseliges, neues Jahr! Alles Gute + Gottes Segen! Empfange die herzlichsten Grüße von
Deiner Dichl. Mutter.