Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 2. Oktober 1943
Köln-Dellbrück, 2. Okt. 43
Mein lieber, guter Junge!
Ich erhielt gestern Deinen lieben, ausführlichen Brief vom 25.9.43 Von da geht die Post fast noch länger als von H. Ja, nun bist Du schon fast 14 Tage dort. Ich bin froh, daß es Dir gut gefällt! Ich kann es mir vorstellen bei den jungen Menschen! – Mein Junge Du mußt nicht danken für das, was ich Dir bei Deinem Hiersein getan habe. Das ist doch meine Freude und ich möchte Dir noch viel mehr tun, wenn ich es könnte! Das ist doch meine Pflicht. Und dann sind es für mich ja Festtage, wenn ich Dich hier habe. Leider sind es nur zu wenige. Sie sind mir
wie ein Geschenk! Und die ersten Tage nachher ist es mir nicht leicht, wenn die Wohnung wieder leer ist! Bleibe mir nur gesund mein Junge. Am Dienstag habe ich bereits das Päckchen mit den gewünschten Sachen als „Dringend“ abgeschickt. Hast Du es inzwischen schon bekommen? Diese Woche kam auch das Buch „Das unwandelbare Herz“ noch an. Die andern Päckchen scheinen leider verloren gegangen zu sein.
Mir selbst geht es ziemlich. Das feuchte Wetter merke ich doch sehr gut in meiner Seite. Ich versuche jetzt, ob ich nicht eine andere Beschäftigung bekommen kann, die auch vor allen Dingen etwas einträglicher ist! Verschiedene Gänge habe ich schon gemacht! Ob ich Glück habe? Bei der Näherei (alle 4 Wochen andere Sachen) verdient man rein nichts. – Heute war
ich mal bei Anni Stocksiefen. Sie wohnt ja allein in der Urnenstraße. Ich war sehr erstaunt, wie schön sie wohnt. Und ein Wohnzimmer hat sie sage ich Dir, sehr schön + geschmackvoll! Die kommt durch’s Leben. Aber sie kann auch gut reden. – Nun hoffen wir, daß Oma bald kommt. Heinrich liegt wieder, das Bein mußte wieder operiert werden. Er kommt also noch nicht mit! Gestern war ich mit Frau Lingens wandern. Es war ein sehr schöner Tag. Wir waren in Herrenstrunden über Romaney. Wir zwei allein. Einen schönen Film sah‘ ich Samstag „Germanin“! Bei der letzten Ziehung hatte ich nur ein Freilos gewonnen. Schade, daß es nicht mehr war. Denk‘ Dir, der zweite Sohn von Picks, der Marineleutnant, ist vermißt. Die Mutter soll
ganz zusammengebrochen sein!
Nun wird es abends schon früh dunkel, das ist nicht schön. Hoffentlich überstehen wir auch diesen Winter gut. Hätte ich nur ein Paar ordentliche feste Schuhe! Heute mußte ich noch etwas Geld holen, ich bekomme Kohlen, Kartoffel, das Los muß ich erneuern u.s.w. Hoffentlich verdiene ich auch bald etwas. Und nun Rudolf, mache ich Schluß. Alles Gute wünsche ich Dir und sende Dir einen lieben Gruß + Kuß
Deine
treue Mutter.