Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 28. Oktober 1943
Köln-Dellbrück, 28.10.43
Mein lieber Rudolf!
Schon wieder erhielt ich 2 liebe Briefe von Dir, vom 17.10. udn vom 23.10. Der Brief, der dazwischen liegt, vom 20.10. ist ja schon beantwortet! – Also hast Du endlich eine Tuchhose bekommen. Heute gehen 100 Mk an Dich ab für Deine Einkäufe. Kommst Du damit aus? – Gestern war Johanna mit den Kindern hier, sie brachte Deinen Brief an Oma mit. Sie ist ja bei mir. Sie wird ja auch nicht mehr zu Johanna gehen, weil Heinrich ja jeden Tag kommen kann. Sobald die Oma sich wieder
selbst helfen kann, geht sie in ihr Heim. Sie kommt dann zu mir schlafen, solange die Flieger kommen. Am Samstag muß sie zum Arzt! – Ich war noch nicht wieder auf Stellensuche, weil ich auch in dieser Woche noch in Iddelsfeld bin. Anna muß sich noch in acht nehmen + soll nicht im Wasser arbeiten. Da spare ich noch etwas an Marken! –
Heinrich wartet jetzt auf Entlassung, so schreibt er. In der Sache mit Ali wünsche ich Dir alles Gute. Ich schrieb ja schon darüber. Mögest Du Glück haben. Auf jeden Fall wünsche ich Dir, daß Du ein glückliches Familienleben führen mögest! –
Nun zu Deinem Brief vom 23.10.43. Habe ich denn so unzufrieden an Dich geschrieben? Was mir fehlt, ist eine Arbeit, die mich befriedigt. Und trotzdem viele Kräfte gebraucht werden, ist es doch sehr schwer, etwas zu bekommen. Ich habe ja keinerlei Vorbildung. Ich könnte bestimmt leichte Büroarbeit leisten. oder im Geschäft arbeiten, aber ich habe ja keine Papiere. Und letzten Endes bleibt mir nichts Anderes, als nähen. Und wenn es eben sein muß, dann tue ich es eben. Mach‘ Dir aber um mich keine Sorgen. Und ich vergesse auch nicht, unserm Herrgott zu danken. Wir sind ihm viel Dank schuldig. Daß man mal kleinmütig wird, besonders, wenn man so vieles sieht + hört, nun ja, man ist ja auch nur ein Mensch.
Im Grunde genommen, bin ich ja zufrieden, denn ich habe Dich ja. Und daß wir uns so gut versehen, auch dafür danke ich unserm Herrgott, denn das ist für mich ein großes Glück! Also mach‘ Dir keine Sorge, bete nur für mich. Und dann hoffe ich ja auch, bald wieder etwas zu verdienen, und das gibt auch Befriedigung. – Bitte, schreibe aber ja nicht nach Holland, um etwas schicken zu lassen, es ist nicht nötig und dann weiß man ja nicht, ob es ankommt. Ich bin froh, daß Du einen erlebnisreichen Abend im Theater erlebten durftest!
Da hattet Ihr die Flieger auch in Eurer Nähe! Mögest Du in Gnaden beschützt werden. – Gestern war Fr. Plantz da, am Sonntag kommt sie wieder. R. ist noch in Drammen. – Seit einigen Tagen haben wir trübes, feuchtes Wetter. –
Und nun sendet Dir die herzlichsten Grüße und einen festen Kuß
Deine Mutter.