Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 6. November 1943
Guben, den 6.11.43
Mein liebes Mütterlein!
Heute habe ich wieder Samstag-Sonntagdienst, d. h. ich bin für 24 Stunden Offz. vom Abteilungsdienst und habe dabei gute Gelegenheit Dir einige Zeilen zu schreiben. Ich danke Dir für Deinen lieben Brief vom 31.10. der mich erfreut hat. Ich bin dem Herrgott dankbar, daß er Dich schützt und bei guter Gesundheit erhält. Kannst Du denn die Arbeit in Iddelsfeld schaffen? Ist sie nicht zu schwer für Dich? Du darfst in Deiner Selbstaufopferung die überstandene Krankheit nicht vergessen, etwas mußt Du Dich wohl noch schonen. Wie geht es denn der Tante Anna? Was macht die Oma? Die Tatsache von Heinrichs Ankunft und von seinem weiteren Lazarettaufenthalt in Bensberg wird sich bestimmt auf den Heilungsprozess günstig auswirken. Ich wünsche Beiden baldige Besserung und möchte Dich bitten Ihnen meine Grüße auszurichten.
Die Neuigkeiten, die Du mir berichtest, haben mich interessiert. Wann kommt Willi in Urlaub? Wie kommt dann die Frau Zähringer darauf Dich zu besuchen. War die schon mal bei uns? Was erzählte sie denn
aus Eschweiler? Onkel Arnold schreibt, daß er bald hin will. – Wenn man ehrlich ist, muß man sagen, daß Lingens Töchter trotz Allem was sie besitzen, schönes Heim usw. doch immer wieder Unglück haben. E.‘s Mann ist krank, Schwiegervater plötzlich verstorben, jetzt Bombenschaden in Kassel, Marianne selbst krank, Bräutigam in Gefangenschaft. Wir haben allen Grund dankbar zu sein! –
Mir geht es gut, ich hoffe Dich bald für Stunden wiedersehen zu können, ich werde nämlich mein restliches Gepäck selbst holen. Ich freue mich auch Ali wiederzusehen. Sie wird wohl sprachlos sein mich so bald in ‘t Zand zu sehen. In Deinem Schreiben fragst Du was ich vergangenen Sonntag gemacht habe. Ich bin zu Hause geblieben und habe mich ausgeruht und Briefe geschrieben. Morgen Abend werde ich vielleicht in’s Kino gehen. Der Film „Germanin“ möchte ich mir ansehen. Gestern war ich mit 6 Herren der Abt. im Cottbusser Stadttheater. Ich sah „Figaros Hochzeit“. Die Aufführung war glänzend, es war wirklich ein Genuß. Ich hatte zum ersten Mal meine lange Biesenhose an. Sie sitzt ordentlich und sieht ganz gut aus, wenn es auch nicht mehr das beste Tuch ist.
Die 100,00 Rm. sind angekommen. Für die
prompte Übersendung vielen Dank. –
Nun noch Eines. Du schickst mir in Deinem Brief 200 gr. Fleischmarken einer Sonderzuteilung, Mütterlein, daß darfst Du nicht wieder machen. Ich kann sie diesmal nur in dem Gedanken annehmen, daß Du augenblicklich durch die Arbeit in Iddelsfeld gut verpflegst wirst. Würde Die aber jede weitere Markenabgabe umgehend zurückschicken, denn Du brauchst gerade Fett und Fleisch für Dich selbst, damit Du wieder zu Kräften kommst.
- Jetzt noch eine Bitte. Schicke mir doch meine schwarzen Halbschuhe. Ich werde sie hier besohlen lassen, ich brauche sie zur langen Hose. Selbstverständlich werde ich versuchen einen Bezugsschein zu bekommen, ich weiß nur nicht, ob mir das gelingen wird.
Ich lege Dir 2 Theaterzettel bei, vielleicht verwahrst Du sie mir zur Erinnerung.
Mit frohem Sonntagsgruß und Kuß
verbleibe ich alles Gute wünschend
Dein großer Junge.
Grüße an Oma, Heinrich u. seine Lieben, an Elli, Nußbaums und die Iddelsfelder.