Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 1. Dezember 1943
Werder, den 1.12.43
Meine liebe Mutter!
Nach glücklich beendeter Hollandreise bin ich nun hier eingetroffen und habe den ersten Kursustag, der vielversprechend begonnen hat, schon hinter mir. Wenn ich das facit meiner Reise ziehe, muß ich sagen, daß Ärger, Mißerfolg und Freude sich abwechselten und aufhoben. Die Reise begann mit dem Erlebnis in Berlin, schöne Stunden verlebte ich zu Hause. Der Einkauf war nichtig, außer Butter konnte ich nichts bekommen. Es ist auch dort noch schlechter geworden, hinzu kommt noch die augenblickliche Stimmung die nach wie vor gegen uns ist, so daß man an Deutsche nichts mehr verkauft. Sehr viel Freude hat mir das Wiedersehen mit Ali gemacht. Dieselbe läßt Dich auf das Herzlichste grüßen. Über die bösen Bilder aus Berlin habe ich Dir schon berichtet. Wie ich meine Heimat liebe, weißt Du auch und kannst Dir denken, wie froh ich war einige Stunden dort verleben zu können. Nun vom schlechten Einkauf! Ich konnte weder für Dich noch für mich, für Kameraden oder die Einheit etwas bekommen. Ich bin mit leeren Koffern zurückgereist. Ich habe wohl Butter eingekauft und muß nun sehen, wie ich sie Dir zukommen lassen kann. Für Weihnachten muß ich nun einmal sehen! Nun zum frohen Erlebnis! Ich habe Ali dreimal gesehen. Einmal waren wir bei ihrer verheirateten Schwester eingeladen, zum zweiten Mal sahen wir uns bei Familie Pronk, bei der ich auch gewohnt habe und das dritte und letzte Mal waren wir zwei in Alkmaar und haben einen schönen und ruhigen Abend gehabt.
Ich muß Dir gesehen, daß ich es mir sehr überlegt habe ob ich mich nicht mit ihr verloben sollte. Ich weiß jetzt, daß sie die Richtige ist, was mich zurückgehalten hat ist 1.) Deine Einwilligung, 2. mein baldiger Einsatz.
Ali selbst ist zufrieden, wenn ich noch warten will, denn sie fürchtet sich vor dem Augenblick in dem ich mit ihrem Vater sprechen werde. Du mußt Dich einmal hierzu äußern! Ich bin noch nie so froh gewesen!
Habe ich mein Nagelreinigungsgerät zu Hause gelassen? Wenn ja, würdest Du es mir schicken? Dann bitte ich Dich letzmalig um Übersendung von 100,00 Rm. Ich werde dann bald alle Einkäufe für den Einsatz getätigt haben. In Guben bin ich nur 3 Stunden gewesen und bin schon gestern Abend hier in Werder eingetroffen. Ich wohne in einem alten, gemütlichen Hotel „Zum alten Fritz“. Essen ist ganz gut, mit den Marken komme ich aus. Die Schule ist fabelhaft eingerichtet. Der Unterrichtsstoff ist interessant und wird uns in ansprechender Form nahegebracht. Übrigens habe ich meinen neuen Mantel anprobiert, ich glaube er wird recht ordentlich. Jetzt schaffe ich mir noch eine Sturmgeschützhose und eine neue Feldbluse an. Wie es mit einer Pelzweste wird, Schlafsack und Wäschesack muß ich mir nochmals überlegen.
Werder ist ein typisch ostelbisches Städtchen, landschaftlich sehr nett gelegen, im Sommer muß es schön hier sein. Nach Berlin zu fahren lohnt sich nicht mehr, ich hätte einmal gerne bei Bartz vorgesprochen. Am Sonnabend geht der Lehrgang zu Ende, ich werde gleich nach Guben zurückfahren. Ich will nun Schluß machen und bleibe mit den besten Grüßen und den herzlichsten Wünschen Dein Dich liebender
Junge.
Ali hat Bilder machen lassen, auch an Dich hat sie gedacht. Ich lege dieselben bei.