Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 8. Dezember 1943
Köln-Dellbrück, 8. Dez. 43
Mein lieber, bester Junge!
Noch immer habe ich keine Post von Dir. Vorgestern kam Dein Brief an, der mir Deine Reise nach Holland anmeldet. Na, die wirst Du wohl gut überstanden haben. Ich mache mir noch keine große Sorge, denn es kommt fast gar keine Post. Ob das mit den Angriffen in Berlin + Leipzig zusammenhängt. Ob dort viel verbrannt ist. Hoffentlich nicht die Weihnachtspäckchen für Euch, die man mit so viel Mühe zusammengespart hat. Ich hoffe und wünsche nun von Herzen, daß Du gesund bist. Hast Du nun Deinen warmen Mantel? Und warmes Unterzeug? Dort soll es wohl schon ordentlich kalt sein. Hier ist es schon sehr frisch.
Mein lieber Rudolf nun möchte ich heute schon Dir ein gnadenreiches Weihnachtsfest wünschen. Es ist uns ja nicht vergönnt, es zusammen zu feiern, die schönste aller Feste. Viele gute Wünsche, und viele liebe Gedanken werden bei Dir sein an diesen Festtagen aus der Heimat. Wie eine
Brücke sich spannt von Ufer zu Ufer, so gehen gute, treue Gedanken hinüber + herüber. Und alle Liebe wollen wir in diese Gedanken legen, die unser Herz empfindet. Und der neugeborene Heiland möchte seinen Stern strahlen lassen über die dunkle, haßerfüllte Welt, auf das wieder Friede + Freude einkehren möchte in alle Herzen, in alle Länder. Nur das Gebet + das Gottvertrauen, sie machen uns stark, alles zu ertragen. Jeden Tag aufs Neue muß man beten. Man darf ja nicht zuviel denken, sonst wird das Herz schwer. Also, mein Kind nochmals ein gesegnetes, frohes Fest. Wirst Du Gelegenheit haben, dem Gottesdienst beizuwohnen? Kannst Du das überhaupt ab + zu? Darf ich mich denn nun wirklich auf Neujahr freuen, daß wir dann beisammen sind? Ich hoffe es so sehr. Und ich würde mich so sehr freuen! –
Nächste Woche wird Oma umsiedeln in ihr Häuschen. Ich glaube, sie freut sich. Schlafen wird sie wohl noch kommen. Schade, daß wir uns nicht so gut verstehen! Ich bin wieder bei der Arbeit. Abends bin ich reichlich müde! Lia Scharrenbroich hat mich besucht. Sie hat ihr Examen gemacht, geht jetzt zu einem Zahnarzt als Hilfe. – Und nun sendet Dir mit den herzlichsten Grüßen + Wünschen
einen lieben Festtagskuß DeineMutter.