Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 17. Dezember 1943
Guben, den 17.12.43
Meine liebe Mutter!
Froh grüßt Dich in alter und herzlicher Weise Dein großer Junge. Ich habe nun bald die Arbeit, die die Weihnachtsfeier macht, bewältigt, diese Nacht wird durchgearbeitet und morgen kann das Fest steigen. Ich hoffe, daß es allen Kameraden gefällt. Mir fällt da gerade eine lustige Begebenheit ein. Ali’s kleinste Schwester, Fincken, die zum Herbst zum ersten Mal zur Schule ging, war seit langer Zeit, lange bevor Ali und ich bekannt wurden, meine Freundin. Ich hatte ihr kleines Herz dadurch gewonnen, daß ich ihr schon mal eine Rolle Drops usw. zugesteckt hatte. Davon weiß nun Ali und sie sieht nun eines Tages, wie Fincken mit einer Schachtel spielt, die sie auch einmal von mir bekommen hat. Auf ihre Frage, von wem sie denn diese schöne Schachtel habe, bekommt sie die kurze und ernste Antwort: „Von ihm!“ „Wie, von ihm, wen meinst Du damit?“ „Na, von meinem Soldat, dem kleinen Leutnant!“
Du kannst Dir Ali’s lustige Augen vielleicht vorstellen. Ich werde Dir einmal Bilder von Fincken zeigen.
Ich bin gespannt, wann ich nun endlich einmal Nachricht von Dir erhalte. Im Augenblick ist es ja geradezu toll mit der Postzustellung. Gestern hatten wir wieder Alarm, ¾ Stunde, wahrscheinlich hat Berlin wieder einen Angriff erleben müssen. Müßt Ihr zu Hause auch noch immer fleißig in den Keller? Heizt Ihr unten auch etwas, oder kommt Ihr mit dem elektrischen Öfchen aus? Was macht die Arbeit? Hoffentlich kommt heute Post von Dir an!
Mit den besten Grüßen und Wünschen
und einem treuen Kuß
bin ich
Dein Junge.
Sollte dieser Brief noch vor dem Fest in Deinen Händen sein, wünsche ich nochmals ein frohes, gesegnetes Fest und viel stille Freude.
Gottes Segen wünscht
Dir Rudolf.