Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 24. Dezember 1943
Heilig Abend 1943
Mein liebes Mütterlein!
Der Heilig Abend brachte mir noch viel Arbeit und zusätzlich noch Verdruß, und die Weihnachtsstimmung wollte gar nicht aufkommen. Nun aber habe ich das gemeinsame Abendessen und eine kurze besinnliche Stunde mit Weihnachtsliedern und Vorlesungen, die ich zu leiten hatte hinter mir, habe mich anschließend gebadet, wieder festtäglich angezogen und auf unserer gemütlichen Stube unser Weihnachtsbäumchen geschmückt. Und nun ist die rechte Stimmung da. Mein Stubenkamerad Kröll und ich feiern auf unsere Art still und reich an schönen Erinnerungen zu Hause. Höhepunkt des Abends sind 2 Weihnachtsbriefe, einen an Dich, den anderen an Ali.
Beim Schreiben koste ich von Deinem köstlichen Gebäck, das auch im 5. Kriegsjahre noch wunderbar schmeckt und mit viel Liebe und Sorgfalt gebacken ist, dessen Zutaten Du Dir vom Mund abgespart hast. Eben, am Heilig Abend, erhielt ich Ein’s Deiner Päckchen mit frohem Gruß und Leckereien wie Trüffel, Anisplätzchen, Nußstangen, Heidesand usw. Alles in der bekannten und bewährten Art. Ich danke Dir für Deine liebe Gabe! – Meine Gedanken gehen heuer 2 Wege. Einer führt mich in’s Elternhaus, in die Kindheitstage, und ich erinnere mich an Weihnachtsmette, Bescherungen und gastlichen Besuch, denke an frohe Kinderaugen die bei Tante Anna, die an alle gedacht hatte, zum Aufleuchten kamen. Der Zweite geht zu Ali und in Ihre und meine Zukunft. Ich träume von eigenem Heim und eigener Familie und male es mir
ganz herrlich aus, wenn Du uns zum Weihnachtsfest die Ehre gibst, wenn von Alis Familie vielleicht der eine oder andere Gast bei uns weilt.
Liebes Mütterlein, für Dein großes Verstehen, für die Bereitwilligkeit mit der Du Ali als Tochter aufnehmen willst danke ich Dir und kann Deine Liebe und Güte wieder einmal nicht gut machen, stehe wieder reich beschenkt vor Dir, Dir aber nichts Gleichwertiges anbieten könnend. Ich hoffe und wünsche aber, daß Du durch die Aufnahme Alis in unsere Familie selbst auch viel Freude und Frohsinn erfährst. Wie Du Weihnachten feierst weiß ich und in Gedanken gehe ich mit Dir zum Gottesdienst, bin bei Dir zu Tisch und sitze mit Dir Hand in Hand unterm Lichterbaum.
Ich werde mich frühzeitig niederlegen um Morgen zum Gottesdienst gehen
zu können. Auch dann werde ich an Dich denken.
Nun zum Urlaub. Nach vielem Hin und Her, nach viel Geschimpf von meiner Seite scheint es nun doch zu klappen. Man hatte mich aus mir unverständlichen Gründen nach meiner Rückkehr von Werder von der Urlaubsliste gestrichen. Selbst Abstellurlaub wollte man mir nicht mehr geben können. Nun ist das aber in Ordnung gebracht, mein Chef hat mich bei meinen Bemühungen sehr unterstützt. Ich erhalte also Abstellurlaub und werde wahrscheinlich (Vorsicht!) am 30.12. fahren können. Ich freue mich. Vielleicht haben wir dann zu Hause eine nette Sylvesterfeier!
Dich grüßt auf das Herzlichste
mit vielen Glückwünschen
zum Fest Dein
dankbarer Junge.