Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 1. Mai 1942

Köln-Dellbrück, 1. Mai 42

Mein bester Junge!

Trotzdem es schon spät ist, will ich noch ein halbes Stündchen mit Dir plaudern. Gestern machte ich so kurz Schluß mit meinem Brief. Als erstes danke ich Dir für dein feines Päckchen, daß ich erhielt! Ich habe mich sofort hinter den Lachs gesetzt, Hanni war gerade hier, er hat ihr auch geschmeckt. Ein Päckchen habe ich T. Stina gebracht, eins Fr. Ermert, die sehr erfreut war. Er mußte nämlich gegessen werden. Ich glaube nicht, daß Du nochmal welchen schicken kannst, es wird schon dafür zu warm.

Auch das feine Schreibpapier kann ich gut gebrauchen. Und für den beiliegenden Brief danke ich Dir auch. Alles hat mir Freude gemacht. Es scheint aber noch ein Brief zurück zu sein, denn Du schreibst nichts von Deinem Namenstag. –

Nun hat heute der schönste Monat begonnen, der Monat der Mutter Gottes. Möge Sie in mütterlicher Liebe + Sorge uns behüten. Wir sollen uns ihr anbefehlen. Denkst Du auch daran. Das Wetter war heute sehr unfreundlich. Noch immer ist es kalt! Und der rauhe Wind verdirbt viel. Es müßte regnen + warm werden. Die Bäume blühen zum Teil. Aber viele Blüten haben sie nicht

Pfirsiche bekommen wir kaum. Der Winter hat doch viel an den Bäumen verdorben. Gebe Gott, daß es in diesem Jahr eine gute Ernte gibt! Wir brauchen sie so nötig. Habt Ihr auch die Führerrede gehört. Wir hier haben ja von England die Antwort darauf bekommen. Traurig ist es. Und an ein Ende ist noch nicht zu denken. Wir werden wohl nicht mehr lange zur Schule in den Keller können, sie wird belegt von Montag. Wir können uns nur an unsern Herrgott halten, nur er kann uns helfen. Ich glaube, es kommen noch schwere Zeiten. –

Ich höre gern, daß Du gerne an zu Hause denkst + an Deine

Arbeit. Ich habe in den letzten Tagen auf der Suche nach Vaters Papieren alle Deine Briefe aus der Kriegszeit, aus der aktiven Dienstzeit + dem Arbeitsdienst sortiert und manchen alten Brief gelesen. Trotz Arbeit + Sorge waren die Jahre des Friedens doch schön. Jetzt hat man an nichts mehr so rechte Freude, auch den schönen Frühling mit seinem erwachenden Leben überall man, ja, aber man hat zuviel Anderes um das man sich sorgt, als das man sich so recht freuen könnte. Und wenn man dann immer wieder die Zerstörungen sieht + das Leid der Menschen sieht + hört, dann kann keine Freude aufkommen. Warum sind

die Menschen so gegeneinander? Und so schöne Jahre, die man zusammen sein könnte, sie gehen vorüber in Leid + Sorge. –

Ich lege Dir ein Maiblümchen bei als lieben Maiengruß. Morgen ist ja erst die Maifeier, das heißt, es sind keinerlei Veranstaltungen, auch wird nicht geflaggt! Ich werde so Gott will mal zu Oma gehen, zum Wandern ist es noch zu kalt + windig auch hat Elli ja Besuch. Ob Josef mal herkommt. Mit mir hat er es nicht! T. Finchen hat die Küche gemacht, alles schön sauber. Fritzchen wird nichtsnutzig, ein rechter Stropp. Alles schwätzt er nach. Und nun mein Junge schließe ich für heute. Was ich morgen mache, weiß ich noch

nicht, ich glaube, es wird regnen. Erst muß ich ja auch die Wohnung in Ordnung bringen. Neues gibt es hier sonst nicht. Ich wünsche Dir Zufriedenheit + Gesundheit + sende Dir in Liebe herzliche Grüße + eine Kuß
Mutter.

Heute sagte mir Fr. Scharrenbroich, daß Gerti ein Töchterchen bekommen hat. Sie wollte ja ein Mädchen, daß nicht in den Krieg brauchte.

D. O.