Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 5. Mai 1942
O.-U. den 5.V.42
Mein liebes Mütterlein!
Mein langes Schweigen, welches Dir sicher wieder einmal Sorge gemacht hat, darfst Du nicht falsch deuten. Wenn ich nahezu eine Woche nicht geschrieben habe war das keine Schreibfaulheit, ich habe wirklich in den letzten Tagen sehr wenig Zeit gehabt, denn ich hatte den Chef zu vertreten, der dienstlich unterwegs war und noch nicht zurück ist. Diese Arbeit mit großer Selbstständigkeit macht mir natürlich riesig viel Spaß. Auch in jeder Hinsicht geht es mir gut, ich bin gesund und munter und habe den 1. bzw. 2. Mai in nettem Kameradenkreis hinter mich gebracht. Im Augenblick habe ich Gelegenheit mehr als gewöhnlich Auto zu fahren, was ich denn auch oft und heilfroh ausnütze. Das Wetter war bis gestern wunderschön, seit heute Morgen regnet es, hoffentlich gibt es kein Einheitswetter, das für die Westküste typisch ist. Die Frühlingssonne hat mich nett braun gebrannt. Ich sehe wieder aus wie damals im Arbeitsdienst. Ich sehe also nicht ein, warum Du Dich um mich sorgst, es gibt wirklich keine Ursache zur Besorgnis. Wir werden wohl noch lange hier bleiben, es bestehen gar keine Aussichten, daß wir hier wegkommen. Warum sorgst Du Dich wegen der Beziehungen zu Gerd? Auch da, mein Mütterlein steht Alles gut und ist nach wie vor sauber. Gerd ist zu mir wie ein Schwesterlein, ich hab‘ sie gern und ich glaube sie mich auch.
Hast Du einen Maialtar? Heute Abend schließe ich und verspreche Dir bald mehr zu schreiben. Viele Grüße und Küsse
Dein großer, dummer Junge.
Meine Besuche machen ihr viel Freude. Seit langem hat sie nicht mehr geschrieben, ich weiß garnicht warum. Ende nächster Woche fahre ich wahrscheinlich nach O., dann werde ich natürlich in G. aussteigen. Diese Ruhe, diesen Frieden würde ich Dir wünschen. Das ist es wohl, was Die am meisten fehlt. Aber trotzdem Mütterlein danken wir dem Herrgott für seine Gnade, für seinen gütigen Schutz. Noch leben wir, und das ist das Primäre, der Krieg zwingt uns zu Urinstinkten, das Leben, das nackte Leben ist das Kostbarste. Wieviele Eltern würden Alles geben um ihre Sohne zu erhalten, wieviele Frauen und Bräute opferten gerne. Wir haben nur eines zu tuen, zu danken für ein unbeschreibliches Glück gesund zu sein und noch ein nettes Heim zu haben. Genau besehen sind wir gut dran und können, nein müssen zufrieden sein. Fein ist es, daß Du nun mit den Zähnen Ruhe hast, wann bekommst Du dann den Zahnersatz?
Krawatten nähst Du wieder, ist denn etwas dran verdient? Was war am Störschutz? Wie ist das Wetter, wenn ich in Urlaub komme, Junge dann wird aber gewandert, dann mußt Du Dich schadlos halten. Ich kann Dich verstehen, aber et is ja bloß ein Übergang, der Krieg geht doch einmal zu Ende. Ihr müßt die Ohren steif halten, der Führer macht es richtig und seine Soldaten gehen mit ihm. Die Heimat darf die Nerven nicht verlieren, einmal bleibt auch Tommy aus, der kommt auch nicht ewig. Das ist unsere große Sorge, ich befehle
Dich dem Schutz der „Immerwährenden Hilfe“ der Mutter unseres Jungenbundes. Jetzt im Mai denke ich an unsere Fähnlein im Mai, an meine Knappenweihe.