Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 13. Mai 1942
Köln-Dellbrück, 13. Mai 42.
Mein lieber Rudolf!
Endlich erhielt ich Nachricht von Dir, 2 Briefe vom 5. + 6. Mai. Die beiden Briefe haben mich nicht nur erfreut, sondern auch beruhigt + aufgerichtet! Vielen, vielen Dank für Deine lieben guten Worte, und die lieben Wünsche zum Muttertag. Natürlich hatte ich Sorge, Du wärest ausgerückt, bes. wo Fr. Schneider mir auch sagte, daß sie länger von ihrem Sohn nichts gehört hätte. Du hast ja recht, und ich weiß das ja alles, wir müssen + wollen auch durchhalten, aber manchmal ist es doch schwer, bes. wenn man so Menschen um sich hat, die nur Egoisten sind + sich auch absolut nicht um einen kümmern, wo man doch so allein ist. Ich glaube, wenn sie mich tagelang nicht sähen, sie würden nicht nach mir gucken. Und sonst allerlei Ärgerlichkeiten bereiten sie mir. Sie denken, mit einer Frau allein können sie es machen. Und ich mag mich nicht zanken. Du wirst denken „Weibergeschwätz“, aber Rudolf ich bin ihnen gefällig, habe ihnen manches gegeben, habe mich bemüht, als Fr. J. krank war, aber, trotz allem. Aber ich bin jetzt klug. Und wenn ich es erlebe, und der Krieg geht zu Ende, dann so bald wie möglich eine andere Wohnung.
Es sind taktlose, ungebildete Leute! – Nun zu Deinen lieben Briefen. Also Du bist gesund + mobil, das freut mich. Und viel Arbeit hast Du? Ich
glaube schon, daß es Dir Spaß macht, selbständig zu sein. Fein hast Du es, Autofahren, Reiten. Du hast Abwechslung, und nette Menschen um Dich! Ich gönne es Dir. Hat das Wetter sich dort gebessert? Wir haben auch Regen, aber der war so notwendig, daß er mit Freuden begrüßt wird. Dadurch ist alles so frisch + grün, die Bäume blühen, der Flieder blüht + duftet herrlich. Es ist eine schöne Zeit. Ich bin gestern Abend ein Stündchen raus gewesen, im Thielenbruch. Ich fange an, für Dein Herbarium weiter zu sorgen. Du weißt ja, das macht mir Freude. Und daß Du voraussichtlich noch da bleibst, beruhigt mich. Und du schreibst vom Urlaub. Wann meinst Du denn? Das wäre ja zu schön! Auch über die beruhigenden, guten Nachrichten aus G. freue ich mich. Ja mein Junge, ich bin dem Herrgott auch dankbar, ja er hat uns bis jetzt so gnädig geführt. Heute habe ich ja einen Gedenktag. Wie schwer war mir damals, 1914 alles, und wie innerlich zufrieden + dankbar bin ich heute. Ja. tief innerlich bin ich zufrieden, da berühren mich die Alltagssorgen nicht! Und dankbar bin ich auch, + ich möchte mit keinem tauschen! Und die Zukunft stelle ich in Gottes Hand! Alles, wie er es will! Ich danke Dir, daß Du meiner im Gebete gedenkst, und mich der Mutter Gottes empfiehlst! In der letzten Zeit haben die Engländer uns etwas Ruhe gelassen! Nun wird Dir dieser Brief wieder gefallen. Du weißt ja wie ich bin. Ich kann die bittere Art der Leute um mich herum nicht gut ertragen. Ich tu ihnen doch nichts! Aber die sind nicht zufrieden, daher sind sie launisch + muckerig. – Gut daß Du nun alle Urkunden hast. Nun besorge ich noch die Taufscheine, also von mir + von meinen Eltern. Wie Du siehst, sind unsere Vorfahren von Oma’s Seite her auch angesehene Leute, Landwirte + Handwerker.
Da brauchen wir vor Vater nicht zurückzustehen. Ich meine Du hättest Vaters Papiere damals mit nach Nippes genommen. Vorher waren sie noch da! Ich gab Dir ja die Bornheimer Adresse. Du mußt aber 60 Pfg für jede Urkunde zahlen. Laß sie doch per Nachnahme hier an meine Adresse geben! – Ja, was soll ich von Köln erzählen. Ich schickte Dir doch einen Zeitungsausschnitt. Da kannst Du Dir ein Bild machen. Die vielen Stellen kann man ja nicht einzeln aufzählen. Es wären viele Brände durch den Sturm. Dellbrück haben sie letzthin verschont. Sie flogen über uns weg nach Bensberg. Dort haben sie auch ordentlich gehaust. Es galt dem Schloß, sie haben es aber nicht getroffen. Sonntag war ich da. Es ist so schön, jetzt im Mai, der frischgrüne Wald. Und Frl. Heeg ist ein angenehmer Mensch, nur zu alt für mich, obwohl man sich mit ihr unterhalten kann.
Nun hat der Kampf in Rußland ja auch begonnen. Wir hier beten, daß alles zu einem guten Ende kommt! Und dann nach England. Aber das dauert wohl noch etwas. Die er-
sinnen ja auch noch immer allerlei Neues. Wenn sie nur nicht bald mit Gas kommen.
Hoffentlich ist am Sonntag das Wetter einigermaßen. Ich wollte mit Oma + Elli nach Altenberg zu Mutter Gottes wallfahren. Oma kennt den Dom noch nicht! Und ich möchte am Muttertag, an dem ich doch allein bin zur himmlischen Mutter gehen. An Dich denke ich dann besonders.
So + nun schließe ich mit den besten Wünschen für Dich, mein Junge. Sei aufs herzlichste gegrüßt + geküsst von
Deiner Mutter.