Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 31. Mai 1942

Köln-Dellbrück, 31. Mai 42

Mein lieber Junge!

Heute sollst Du den versprochenen Brief haben. Noch lebe ich, noch haben wir unser Heim unversehrt. Du hörtest ja wohl heute im Wehrmachtsbericht von dem Angriff, bis jetzt dem stärksten auf Köln. Noch heute Nachmittag brannte die halbe Stadt. Nach Aussagen von Augenzeugen herrscht in Köln das Chaos. Keine Bahn fährt in + um Köln. Die G. bis Buchheim. Jeglicher Eisenbahnverkehr ruht. Von der Bastei bis zum Bayenturm, alles brennt. Der ganze Neumarkt zerstört, Cords ganz hin, auch Peters, die ganze Zeppelinstraße. Um den Dom herum, Bahnhof, Domhotel, Eisenbahn-Direktion, Brücken, überall Zerstörungen + Brände. Die ganzen Fabriken der Deutz-Mülheimer-Straße, der Mülheimer Bahnhof, in Deutz große Schäden fast an denselben Stellen wie das letzte Mal, dann die ganze Weyerstraße, Severinsviertel, also man kann es garnicht aufzählen. Also eine Schießerei, ein Flugzeug nach dem andern, Bomben-Detonationen,

es war unheimlich! Der Himmel taghell. Es ist zu arg. Wie viele Opfer mag der Angriff gekostet haben; und wie viele Werte sind vernichtet. Dabei heute ein Wetter wie im November, Sturm + Regen + trübe. Möge unser Gott im Himmel doch helfen, daß das bald ein Ende nimmt! Unser schönes Köln! Nein, dieser Luftkrieg ist doch zu fürchterlich! Man ist noch ganz aufgeregt! Man kann Gott garnicht genug danken, daß man noch verschont ist. Ostheim + Brück haben auch schwer gelitten. Was sind die Menschen glücklich, die ruhig + friedlich wohnen. Ich war bei Oma, auch sie hatte Angst gehabt. Und Tante Stina. Auch T. Finchen! Wir sind machtlos, wir können nur beten. Tu Du es auch! So Rudolf ich schließe für heute. Bleibe gesund + empfange viele liebe Grüße + einen Kuß von
Deiner
Mutter.