Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 17. Juni 1942
Köln-Dellbrück, 17.6.42
Mein lieber Rudolf!
Ich möchte Dir heute Abend einen lieben Gruß senden. Eben habe ich zu Abend gegessen, ich warte auf H. Hasberg, der mir den Störschutz an der Maschine anbringen will! Nach fast einer Woche ist es heute Abend ein wenig hell + freundlich, es war dunkles, kaltes Wetter + viel Regen. Bei Euch dort oben sind nun wohl die hellen Nächte, schön muß das sein. Wie geht es Dir, heute mußte ich viel an Dich denken, und dann bin ich immer ein bischen traurig, weil ich Heimweh nach Dir habe. Immer so allein, keiner versteht, wie schwer das oft ist. Die Kinder von Heinr. kommen kaum mehr. Joh. geht mit ihnen viel zu ihren Schwestern, die älteste ist in Wuppertal. Nachdem sie ihren Mann in Köln verlassen hat, hatte sie nach 4 Wochen einen andern, dort wohnt sie jetzt schon. Joh. war mit den Kindern dort, Hanni ist noch dort. Sie wird genau wir Joh. Freitag fährt Joh. nach Dresden zum Heinrich. Die hat jetzt ein Leben. Es wäre wohl besser, die jungen Frauen hätten mehr Arbeit. Ich bin mal neugierig, wenn
die Umstellung einmal kommt! – Wie ist es mit Dir? Hast Du noch viel Arbeit? Ich nähe wieder Leibbinden, nur wenig Verdienst! Aber man kann ja nichts kaufen, alles gesperrt für Fliegergeschädigte. Gestern war ich mal auf dem Altermarkt + an der kl. Budengasse. Von Pustet bis zur Budengasse ein Trümmerhaufen. Wo man aber auch hinkommt, überall dasselbe Bild. Die zerstörten Kirchen dazwischen sehen trostlos aus. In der Zeppelinstraße, da an Cords + Erbs‘ rein, wo all die schönen Geschäfte waren, ist alles zerstört, kein Haus steht! Und Menschen in Köln, von weit her kommen sie, um sich das Zerstörungswerk anzusehen. Wenn der Tommie noch einmal so kommt, dann ist kein Köln mehr da! Letzte Nacht haben sie in Rommerscheidt 6 Bomben geworfen. Und wenn nun die Frucht bald reif ist, kommen sie sicher mit Brandplättchen. Nein, das ist kein Krieg mehr. – O. Arn. + T. Stina waren am Samstag in [..]. Ich sollte mit, hatte aber keine Lust, für einen Tag in den überfüllten Zügen + dann ist mein Mund noch nicht in Ordnung. Dr. Müller kann noch nichts machen, der Kiefer ist noch nicht glatt. Das dauert noch etwas!
Ich habe mir am Samstag-Abend die alten Hefte, [..] + Klusing herausgeholt + lese darin des Abends. Es sind doch schöne Hefte. Da denke ich an die schönen Stunden, wenn Du vorlasest. Ob das noch einmal kommt? Ach Rudolf! – Ich will schließen. Es grüßt + küsst Dich in treuer Liebe herzlichst
Deine Mutter.
Kommt bald ein Brief?