Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 20. Juni 1942
Köln-Dellbrück, 20.6.42.
Mein lieber, bester Junge!
Heute schon erhielt ich Deinen lieben Brief vom 13.6. Von ganzem Herzen danke ich Dir für die lieben mitfühlenden Worte! Ja ich weiß, daß Du viel nach Hause, an mich denkst. Und dafür, daß Du meiner im Gebet denkst, danke ich Dir auch sehr. Wir wollen uns im Gebete vereinen, und daraus Kraft schöpfen für diese schwere Zeit, da wir getrennt sein müssen + allerlei Gefahren ausgesetzt sind. Wir können uns nur unter Gottes Schutz stellen. Möge er uns schenken, daß wir uns in Gesundheit wiedersehen. Auch ich freue mich auf den August, auf Dein Kommen. Mit Freuden lese ich, daß Du wohlauf + zufrieden bist. Ja, was sollen wir machen. Wir müssen uns fügen! Auch ich tue das, wenn es auch schwer fällt. Wie schön wäre es jetzt, wo alles so schön ist in der Wohnung, ein schöner sonniger Abend, ich ganz allein im Hause, wenn Du da hier wärest. Man kann sich gar nicht vorstellen, daß das einmal wieder sein soll! Daß man wieder zusammen sein soll, wenigstens noch ein paar Jahre, bevor Du heiratest! Wir wollen alles in Gottes heilige Hände legen! –
Heute erhielt ich einen ausführlichen Brief
Hast Du wegen der Kleiderkarte geschrieben? Hier kannst Du nichts kaufen, alles ist noch gesperrt für uns, nur Fliegergeschädigte können kaufen. Hast Du Dir auch einen Koffer gekauft. Borge nicht, kauf Dir einen eigenen. Für heute Schluß mit einem lieben Gruß + Kuß
Mutter
von Heinrich, wo er Art + Hergang seiner Verwundung schildert. Er ist froh + zufrieden. Jetzt wird Johanna da sein, gestern Abend ist sie mit Liesel hingefahren. Wird der Heinr. sich freuen, an Liesel hat er doch nicht gedacht! Hanni ist noch in Wuppertal! – Oma ist ganz anders gestimmt + so dankbar unserem Herrgott! – Ich danke Dir herzlich für die Grüße von Gerd + erwidere sie herzlich! –
Heute war nach langer Zeit mal wieder ein Sonnentag, der Wind ist ja noch kühl. Fr. Jansen + Elsbeth kamen heute Mittag + frugen, ob ich mit nach Romaney ginge, sie wollen sehen, wo die Bomben gefallen sind. Da ich fertig war mit der Wohnung + das Wetter so verlockend, habe ich mich breit schlagen lassen. Zwischen Rommerscheidt + Romaney sind 6 B. gefallen, eine in einen Steinbruch, eine in ein Fruchtfeld, dann hat eine ein Haus vollständig zerstört 3 Häuser weiter von Kehba[..] auf Kley, wo Du seiner Zeit in Quartier warst + dann welche in einen Bauernhof auf Romaney. Menschenleben sind nicht zu beklagen. – Für morgen hat Fr. Jansen mich eingeladen nach Bickendorf. Ich geh mal mit zu ihrer Schwester. Oma ist in Gladbach! Elli bekommt Besuch! Im Juli kommt ihr Josef schon wieder. Das ist auch ein Soldatenleben. Sie will nach Ostfriesland in Ferien, wenn sie loskommt aus dem Radium. Dort sind 150 ukrainische Mädchen eingestellt worden. Ich nähe wieder Leibbinden, wenn ich 10 M.
wöchentlich verdiene, muß ich 80 Stück arbeiten, sind 40 Stunden. Ich bin gar nicht zufrieden. Fr. Jansen bekommt für 4 ½ St. 5 Mark! Wäre ich auch Verkäuferin! Wenn ich nur nicht so alt wäre, lernte ich um!