Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 28. Juni 1942
O.-U. den 28.VI.42
Meine liebe Mutter!
Heute danke ich Dir für Deinen lieben Brief vom 20.6. Heute erhielt ich bereits Deinen Gruß, augenblicklich klappt die Postzustellung. Noch immer läuft bei uns die Arbeit auf Hochtouren, die Zeit verfliegt unbegreiflich schnell. Seit heute ist das Wetter wieder sonnig, ich sitze auf der Veranda und schaue beim Sonnenbad dem Flug der silberweißen Möwen und der Flotille wilder Enten zu. Bleibt das Wetter so schön und warm werden wir wohl nächste Woche zum ersten Mal baden können. Heute genieße ich die unendliche Stille besonders. Die Straße herunter kommt ein Bauer mit seinem Milchkarren, zur Seite springt mit seinen stakigen Beinen ein Füllen. Nette, blonde Mädel radeln zum Städtchen.
Hier kann man den Krieg vergessen, erleben ihn nur durch den Rundfunk, der diese Woche so phantastische Erfolge gemeldet hat. Feldmarschall Rommel ist wohl der populärste Mann der Welt. Mein Chef ist auf der Wiener Kriegsschule sein Schüler gewesen. Der Mann hat Karriere gemacht! Der Tommy bekommt graue Haare. In Bremen hat er wiederum eine ordentliche Schlappe erhalten. Wie sieht’s in Köln aus? Urlauber erzählen von Kummer und Leid. Sind die Obdachlosen jetzt alle untergebracht? Wie ist es mit der Verpflegung, hast Du satt zu essen. – Ich freue mich riesig auf meinen Urlaub! –
Wie geht es Dir, bist Du gesund, quält Dich das Rheuma nicht allzu sehr? Ich wünsche Dir einen schönen ruhigen Sommer in dem Du Dich recht erholen kannst. Wie steht es mit der Ernte? Im Sameland muß ein Unwetter sie restlos ver-
nichtet haben. Das wenige was es hier zu ernten gibt, Kartoffel und Kohl, steht ganz ordentlich. Es ist bis jetzt aber zu kalt gewesen, selbst am Hardanger ist noch Alles weit zurück, nächste Woche werden dort wohl die Kirschen reif werden.
Wie wird die Obsternte zu Haus? Voriges Jahr hatte ich Gelegenheit eine Fahrt durch das Vorgebirge zu machen, weißt Du noch?
Von Bornheim hörte ich noch nichts. Mit der Kleiderkarte warte ich noch bis ich in Urlaub komme und nehme sie dann mit um in O. Wäsche usw. einzukaufen.
Von Heinrich erhielt ich wieder eine Karte. Die Art und der Hergang seiner Verwundung hatte er mir ja sofort mitgeteilt. Hoffentlich kann er seinen Fuß wieder gebrauchen. Es kommt darauf an ob die Nerven heilen und die Stränge zusammenwachsen. Mut, Frohsinn und Geduld scheint er zu haben und wenn jetzt Johanna und Liesel da sind wird auch die Lebensfreude kommen. Was hat Hanni denn in Wuppertal gemacht? Ist Männchen eigentlich operiert worden?
Ich habe von Oberapotheker Buchholz 150,00 Kronen bekommen. Ich will damit einkaufen. Ich bitte Dich nun an „Frau Emmy Buchholtz Bremen-Walle, Waller Heerstraße 178“ 85,00 Rm zu senden. Schon im Voraus meinen Dank!
Gestern bin ich mit dem Chef ausgeritten, es waren 2 schöne Stunden.
Ich schließe mit vielen Wünschen
einem frohen Gruß und Kuß
Dein Junge.