Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 2. Juli 1942
Köln-Dellbrück, 2. Juli 42
Mein lieber, großer Junge!
Zwei liebe Briefe erhielt ich gestern von Dir, beide vom 25.6. Schönen Dank für die lieben Worte + die Aufnahmen. Da habt Ihr aber wirklich ein schönes, gemütliches Heim. Ist es nicht weit von Euch? Voll Freude lese ich, daß Du gesund bist + frohen Mutes, und daß Du Dich auf den Urlaub freust. Nun haben wir schon Juli, hoffentlich kommt nichts dazwischen. Auch ich freue mich schon jetzt, und wenn es eben geht, habe ich die Zeit auch Ferien. Wir haben ja so viel nicht zu tun. Mal sehen. Dann bin ich ganz für Dich da! Was meinst Du zu einer Reise nach Bornheim? Hoffentlich ist das Wetter schön. Dann werden wir viel draußen sein, es aber uns auch zu Hause gemütlich machen. Ja, Du hast noch kein Frauchen, daß Dich erwartet im eignen Heim, noch mußt Du mit mir vorlieb nehmen. Aber so Gott will kommt das auch einmal. Auch da bist Du ein „Später“! Also Dein Klassenkamerad ist auch verheiratet. Ja, der hat ja auch schon eine Existenz. Daß der aber noch immer hier ist? Frau Holz erzählte mir auch, ihr Sohn sei in Urlaub gewesen aus Rußland, es wäre ihm diesmal so schwer geworden, wieder zu gehen. Er hat
auch noch keine Braut, auch die Tochter ist noch solo. Ist doch ein nettes Mädel, verstehe ich nicht! Sie hat mich übrigens eingeladen. Soll ich mal hingehen? Was meinst Du? Der älteste Sohn von Heinrichs ist nun auch Soldat! In der Familie ist alles im Lot, alles gesund! Täglich fahre ich mit Fritzchen eine Stunde in den Wald, wenn das Wetter es erlaubt, er nimmt sein Körbchen mit + liest fleißig + emsig „Kükelen“, so sagt er. Joh. ist wieder wohlbehalten zurück, sie war noch nicht hier. Auch Hanni ist zurück! Oma ist fleißig am Einmachen. Elli bekommt nächste Woche schon wieder Besuch für 14 Tage. Der hat auch ein Soldatenleben, sind dick + fett bei den Bauern + tut fast nichts. Alle drei Monate Urlaub. Sie fährt nach dem Urlaub mit für 8 Tage. Als ihr Chef ihr sagte, das ginge nicht, hat sie zur Antwort gegeben: „Wenn Sie eingeladen würden, würden Sie auch gehen!“ Frech, nicht! Ja, die kommen besser + leichter durch’s Leben. Vor ein paar Tagen hat es morgens früh hier bei Röhrig ordentlich gebrannt, Scheune + Stall ausgebrannt. Gestern früh um 9 Uhr hatten wir ein schweres Gewitter. Bei Braunhofs hat’s eingeschlagen, der Kamin zertrümmert, auch auf der Gladbacherstr. Es ist niemand umgekommen. Hier arbeiten jetzt viele Russinnen auf dem Radium b. Walther. Die sehen aus, alle laufen barfuß, haben nichts an! Ein armes Volk! Na, Du wirst sie ja sehen! Nun muß ich schließen. Bleibe gesund + froh. Sei aufs herzlichste gegrüßt + geküsst von
Deiner Dichl. Mama.