Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 19. Juli 1942
O.-U. den 19.7.
Mein liebes Mütterlein!
Mein langes Schweigen will ich durch fleißiges Schreiben gutmachen. Ich sende Dir heute einen lieben und frohen Sonntagsgruß und nochmals die allerbesten Glückwünsche zu Deinem Namensfest. Ich wünsche und hoffe, daß uns der Herrgott noch viele Jahre schenkt, in denen wir Deinen Festtag im schönen Frieden gemeinsam feiern. Jetzt in der schönsten Zeit im Jahr in der man schon den Segen der Ernte verspürt, sind meine Gedanken sehr oft zu Hause. Ich denke gerne an unsere schönen
Sonntagsausflüge und Wanderungen, an unsere abendlichen Spaziergänge, auf denen wir immer mit einigen Pflanzen in der Hand, botanisierten und uns an der Kunst der Natur erfreuten. 2 schöne Jahre waren es die die Militärzeit unterbrachen. Wenn es Frieden wird kommt diese Zeit wieder. Meine Liebe zur Natur, die schöne Gottesgabe der Naturbewunderung macht mich ja auch jetzt hier im schönen Nordland zufrieden, sie machen viel Unschönes gut und erträglich. Mir gefällt es hier gut nur müßte ab und zu mal etwas los sein, damit man wüßte wozu man Soldat ist. Na, - es soll wohl so sein, Meldungen sind ja leider zwecklos.
Näheres von meinem Urlaub habe ich noch nicht gehört, sobald ich den genauen Zeitpunkt weiß schreibe ich. Es kann jedenfalls nicht mehr lange dauern.
Heute ist wieder ein prächtiger Sonnentag, Sonnenbaden und Schwimmen sind Trumpf, auch heute haben wir fleißig trainiert. Ich freue mich auf das Sportfest und bin gespannt wie wir abschneiden werden, die Abtlg. muß was holen. Was wirst Du wohl heute machen, ist zu Hause das Wetter auch so schön? Bist Du in Bickendorf gewesen? War der Tommy wieder da? Ich höre eben im Wehrmachtsbericht, daß er in Duisburg gewesen
ist und bin nun wieder in Sorge um Dich und warte auf Deinen nächsten lieben Brief. Heute hatte ich bereits einen Gruß von Dir erwartet, oder vergiltst Du in demselben Maß wie ich meine Schreibfaulheit? Was gibt es für Neuigkeiten? Warst Du bei Frau Holz? Ich werde heute auch wieder einmal Hilgers schreiben, er schreibt noch häufig und erinnert sich sehr gerne an die gemeinsamen Stunden im Labor, im Krankenhaus und auf unseren Spaziergängen im Stadtwald. Von Schwester Elisabeth habe ich nichts mehr gehört, Hilgers hat sie aus den Augen verloren. Na, das ist überstanden, man kann sich in Menschen täuschen.
Es scheint fast so als ob ich praedestinierter Junggeselle sein soll. Aber ich hab‘ noch Zeit! Manchmal sehnt man sich erklärlicher Weise nach Frau und manchmal auch nach einem Kind, aber vor mir sehe ich dann die Frage Zaratusthras: „Bist Du auch rechtwinklig gebaut an Leib und Seele?“ Dann könnte man Komplexe bekommen. Ich komme mir vor wie ein Primaner und ganz bald schon bin ich 30 Jahre, es ist aber gleich, man ist so alt wie man sich fühlt. Die Stimmung der Kameraden im Osten möchte ich sehen, jetzt wo der siegreiche Angriff rollt wird der harte, unmenschliche Winter vergessen, da wird Hochstimmung herrschen, und wir können nur
zusehen. Was sollen wir in meinem Urlaub unternehmen? Reisen glaube ich dürfte wohl zu schwierig werden, oder würdest Du z. B. nach Bornheim fahren können? Ohne Weiteres wird das wohl nicht gehen! Das schreibst Du mir einmal, ja? Zu gerne würde ich mit Dir nach Godesberg fahren. Hoffentlich habe ich schönes Wetter.
Ob der kleine Fritz mich noch kennt? Ich erwäge auch schon mal ob ich über Dresden fahren soll? Heinrich würde sich wohl sehr freuen. Na, ich muß einmal sehen!
Wie ist’s bei Oma und Johanna, sind die Kinder noch gesund? Wie gefällt es Hanni in der Schule? Ich muß den beiden Ströppen wohl etwas mitbringen, nicht?
Hat sich Tante Maries Gesundheitszustand gebessert? Der Sommer, die Sonne und Ruhe sind für sie die beste Medizin.
Gleich fahre ich mit dem Rad zur Station und hole einen Kameraden, der vom Turnier kommt.
Mit den besten Wünschen
grüßt und küßt
Dich
Dein großer Junge.