Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 24. Juli 1942
Köln-Dellbrück, 24.7.42
Mein lieber, guter Junge!
Nun wird es aber Zeit, daß ich schreibe, fast 8 Tage habe ich nicht geschrieben! 1. ich dachte, Du kämst, und dann erhieltest Du den Brief doch nicht vorher, 2. hatte ich viele Arbeit + eilige, wir hatten einen großen Auftrag, 3. habe ich bei Frau Ermert geschlafen, weil sie allein war, und da kam ich des Abends nicht zum Schreiben, und 4. mußte ich auch noch einmachen. Das bischen Obst, was man hat, (Beeren hauptsächlich), muß verwertet werden! – Und nun kommen da 2 Briefe von Dir, für die ich Dir herzlich danke, die mir aber sorge machen. Da will ich Dir gleich antworten! Erst danke ich Dir für alle Deine lieben, guten Wünsche zu meinem Namenstag, ich weiß, daß Du an diesem Tage, trotz des Sportfestes auch mal nach Hause denkst! Im vorigen Jahr warst Du hier + wir feierten schön. Das kann ich in diesem Jahre nicht. Ich bin froh, daß ich selbst auskomme, und etwas gespart habe ich für Deinen Urlaub! Dann wollen wir die Feier nachholen. Ich hoffe + wünsche, daß das bald ist! Ich freue mich zu hören, daß Du gesund bist + tüchtig Sport treibst. Aber ich meine, leichter dürftest Du nicht werden. Übertreib nicht, damit das Herz intakt bleibt! Iß nur soviel Obst,
als Du kannst, das tut Dir gut. Gibt’s dort schönes Obst? – Ja mein Junge, was Du da schreibst, das habe ich schon oft erwogen + bedacht. Auch ich sorge mich darüber. Alle kleinen Nöte in Deiner Jugend konnte ich stillen, aber jetzt bin ich machtlos. Nein, mein Junge ich kann Dir leider nicht helfen, und das tut mir sehr weh, aber nun mußt Du allein fertig werden. Was sprichst Du da von Junggeselle? Nein, Du bist zur Ehe geschaffen, suche Dir eine liebe Frau, die gesund ist + Dir Kinder schenken kann, Du bist doch so ein großer Kinderfreund. Komplexe brauchst Du nicht zu haben. Du bist gesund + frisch + unverbraucht! Hoch den Kopf, möge Gott uns helfen, daß der Krieg bald ein Ende nimmt, dann geht’s auch weiter. Zu alt bist Du noch lange nicht. Willst Du nicht nochmals versuchen, ob man Dich nicht zum Studium freiläßt. Aber das überlaß ich Dir. Und halte Dich an unsern Herrgott:
„Befiehl Du Deine Wege,
Und was Dein Herze kränkt,
Der allertreusten Pflege,
Des, der den Himmel lenkt,
Der Wolken, Luft + Winde,
Gibt Wege, Lauf + Bahn,
Der wird auch Wege finden,
Der Ein Fuß gehen kann.
Vater und ich haben uns oft damit getröstet, für uns war es auch oft schwer. Das ist das Leben!
So nun schließe ich. Morgen, so Gott will schreibe ich weiter. Ich wünsche Dir von Herzen nur Gutes + sende in alter Liebe Gruß + Kuß
D. tr. Mutter.