Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 11. September 1942

Köln-Dellbrück, 11. Sept. 42

Mein lieber Junge!

Heute ist Dein Geburtstag, 28 Jahre wirst Du nun alt! Ich sende Dir meinen allerherzlichsten Glückwunsch! Ich brauche Dir nicht zu versichern, daß ich Dir nur das Beste wünsche für Leib + Seele. Alle meine Wünsche für Dich, alle meine Sorgen um Dich lege ich in Gottes heilige Hände! Ich hatte mir diese Jahre so ganz anders vorgestellt, Du wohl auch. Wer hätte gedacht, daß Du nun schon das vierte Mal im Kriege Deinen Geburtstag hast! Du kannst Dir denken, daß mir die

ersten Tage nach Deinem Hiersein nicht so ganz leicht sind. Wer weiß, wann wir uns jetzt wiedersehen werden. Ich habe, um mich etwas zu vergessen, etwas Hausputz + Wäsche gehalten, Nachmittags bin ich mit Schlössers in die Umgebung von Gladbach gewandert!

Wie war Deine Reise? Konntest Du etwas ruhen? Hattest Du gute Anschlüsse? Wann warst Du am Ziel? Nach zwei dunklen und ziemlich kühlen Tagen ist das Wetter wieder sonnig + klar. Wie große weiße Vögel stehen heute die Sperrballone am tiefblauen Himmel. Letzte Nacht war wieder allerlei los. Alarm von 11-kurz

vor zwei. Hauptangriffsziel war soviel man sehen konnte Richtung Düsseldorf. Aber auch hier hat’s ordentlich geböllert. 8 sind hier herum abgeschossen worden, einer in Lustheide. Viele Leuchtschirmchen standen! Ja, jetzt kommen die langen, dunklen Nächte, die uns wohl viele Unruhe bringen werden. –

Gestern sind Oma + Johanna zurückgekehrt! Ich habe noch niemand gesehen. Sie waren bei Finchen + Elli in Gladbach. Soviel Hanni mir erzählte, steht es nicht gut um Heinrich. Die Wunde soll sehr eitern. Er müßte nochmal operiert werden. Er hätte gesagt,

lieber das Bein ab, als solche Schmerzen. Der arme Kerl, er tut mir so leid. Hoffentlich tritt nicht das Schlimmste ein. –

Von Deiner Uniform habe ich noch nichts gesehen. Ich habe Deinen Schlafanzug bei Anni in Arbeit! Es ist mein Geburtstagsgeschenk an Dich! Gleich will ich nun anfangen an meiner Näharbeit! Langsam komme ich wieder in den Alltagstrott! –

Nun wünsche ich, daß Du heute innige frohe Stunden im Kreise Deiner Kameraden hast! (Gerade wieder Alarm). Ich sende Dir recht viele + liebe Grüße + einen festen Geburtstagskuß
Deine
Dich l. Mutter.