Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 5. November 1942
O.-U. den 5.XI.42
Mein liebes Mütterlein!
Sicher hast Du schon auf meine Zeilen gewartet und ich will Dir nun heute ein frohes und gutes Lebenszeichen von mir geben. Es geht mir ausgezeichnet, und ich bin wieder einmal auf einem schönen Erdenfleck und unter netten, freundlichen Leuten. Augenblicklich sitze ich in meiner sauberen, nett eingerichteten Stube und schreibe, während draußen der Novemberwind Regen von der See her gegen die Scheiben wirft. Ich habe eben mit den Quartierleuten, einem jungen Ehepaar und dessen Besuch zu Abend gegessen, ich glaubte zu Hause zu sein, als man zu Tisch betete, vom Rheinland sprach und mir der junge Mann, Zivilingenieur, mit Stolz seinen zwei Monate alten Sohn zeigte. Es ist schön hier, wenn auch die Umstellung vom Hochgebirge auf ein von unzähligen Kanälen durchzogenen Flachland krass ist.
Heute hatten wir schon den zweiten Unglücksfall mit den neuen Pferden, ein Mann wurde so unglücklich geschlagen, daß er den Unter und Oberkiefer brach und sämtliche Zähne verlor. Vom Arzt des Dorfes, das übrigens erst 1 Jahr im neu genommenen Polder steht, borgte ich einen prima Chevrolet-Wagen und fuhr den Kranken in’s nächste Marine Lazarett. Die Fahrt war schön, über Deiche ging’s am Meer entlang, durch fette Marsch, vorbei an Windmühlen, dem Charakteristikum des Landes. Die Städtchen sind entzückend.
Es gibt noch allerlei zu kaufen, die Preise aber sind unverschämt. Die armen Landsleute sind mächtig in Druck. In Hotels usw. ißt man gut, in den Familien lebt man einfach und längst nicht mehr so fett wie früher. – Soviel Neuigkeiten für heute, morgen schreibe ich mehr. – Arbeit ist genug da, Du kannst Dir vorstellen, daß wir genug zu tuen haben, denn wir müssen improvisieren. Die Kameraden liegen im Schulhaus, es ist dort warm und trocken, wir müssen jetzt noch Möbel heranschaffen.
Von meinem Gesuch hörte ich noch nichts, denke aber, daß ich Dir bald Nachricht schicken kann. Kannst Du mir vielleicht noch ein gutes Hemd schicken? Die Wäscherei hat mir 2 Stück gänzlich verdorben. Anni hat, ihrer Krankheit wegen, meinen Schlafanzug wohl noch nicht fertig?
Wie geht es Dir, ich hoffe gut! Ich warte sehnlichst auf Post, na – morgen kommt sicher was. Daß Gerd geschrieben hat, habe ich Dir schon mitgeteilt! Die Kameraden oben haben sich scheinbar auch verändert, ich hörte, sie seien weiter nordostwärts gezogen.
Nun gute Nacht!
Gruß und Kuß
sendet Dir
Dein Junge.