Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 13. November 1942
O.-U. den 13.XI.42
Liebe Mutter!
Heute ist nun die trübe Novemberstimmung in der ich, gleich der Natur draußen, mich befand beflogen. Es war aber auch die höchste Zeit, nun bin ich wieder über den Berg. Ich will Dir erzählen warum mich mein guter Mut verlassen hatte, dann wirst Du mich verstehen können. Eine Hoffnung ist mir wieder zerschlagen worden. Mein Gesuch auf Versetzung an die militärärztliche Akademie Berlin ist höheren Orts abgelehnt worden. Welche Stelle es gewesen ist weiß ich nicht, ich nehme aber an, daß das Personalamt selbst es gewesen ist. Wenn man mit 28 Jahren gesagt bekommt man wäre zu alt ist das doch sehr traurig, besonders wenn man bedenkt, daß man die schönen Jahre von 35-37 usw. den grauen Rock getragen hat. 26 Jahre ist das Höchstalter, 2 Jahr zu alt, das sind die beiden Jahre, die ich in der Schule verbummelt habe. Jetzt habe ich mich damit abgefunden, eines jedenfalls weiß ich, den Gefallen aktiver Offizier zu werden, tue ich ihnen nicht. Hoffentlich geht der Krieg bald zu Ende, hoffentlich dauert er nicht noch Jahre. Ich werde schon weiterkommen, nur schade, daß man alt darüber wird. Und trotz Allem muß man dem Herrgott dankbar sein, daß man überhaupt noch da ist, und dabei noch gesund ist. Wie gut und leicht könnte es ganz anders sein! So wollen wir zufrieden sein, Gott danken und auf eine gute Zukunft hoffen. Sei also ruhig, liebes Mütterlein, ich bin wieder zufrieden und komme langsam in Weihnachtsstimmung. Bald kommt der schöne Advent, manche schöne Erinnerung von zu Hause und aus dem N.D. wird wach, ich freue mich, denn ich habe schon Kleinigkeiten zum Fest eingekauft. Solltest Du besondere Wünsche haben schreibe sie mir bitte. Wie ich schon schrieb muß man auch hier für Alles Marken haben, aber hier blüht wie wohl in keinem Land der Schwarz-
handel, zu unverschämten Wucherpreisen kann man manches, was es in der Heimat nicht mehr gibt, kaufen. Die neue Unterkunft, ein Hotel ist gut und fast gemütlich zu nennen, der Dienst erlaubt leider nur wenig Zeit zum Aufenthalt in derselben. Bald geht es wieder weiter, die neuen Quartiere sollen auch gut sein. Wo werden wir Weihnachten feiern? Wann werde ich in Urlaub fahren können? In den nächsten Tagen werde ich meine alten Quartierleute aufsuchen, dann werde ich Dir wohl einige Päckchen schicken können. Ich habe einen dringenden Wunsch, ich bitte Dich Dich nicht krumm legen zu wollen um zu Weihnachten etwas zu schenken, ich bin kein Kind mehr und freue mich über ein liebes Wort mehr als über materielle Geschenke.
Mir geht es gesundheitlich gut. Post kommt wenig, von N. hörte ich noch nichts, die Kameraden sind auch fortgezogen, wohin mögen sie sein! Ich erzähle Dir, wenn ich Nachricht bekommen habe. Was gibt es Neues bei Dir, zu Hause und von Dellbrück?
Ich schicke Dir heute einige Klamotten, die mich sehr belasten, meine Skistiefel und Bücher werde ich auch demnächst schicken. Bei der dauernden, zigeunerhaften Herumzieherei muß man das Gepäck möglichst klein halten. Meine Uniform macht mir jedesmal wenn ich sie anziehe neue Freude, sie ist wirklich prima! Eine lange Hose fehlt mir noch, ich muß mich umsehen ob ich hier Stoff an Land ziehen kann, Bezugsschein habe ich. Ich freue mich auf Weihnachten, ob Dir meine Kleinigkeiten Freude machen werden?
Einen frohen Gruß und treuen Kuß
sendet Dir
Dein großer Junge.