Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 17. November 1942
O.-U. den 17.XI.42
Liebes Mütterlein!
Rauhe Novemberstürme gehen über das Land, solch heftige Stürme habe ich selten erlebt, aber trotzdem ist es noch immer so warm, daß man gut ohne Mantel auskommt, selbst die Sonne erscheint dann und wann. Ich führe wieder einmal die Einheit, weil der Chef zu einem Kurs ist. Auch das Rgt. bedenkt mich häufig, um nicht andauernd zu sagen, mit Arbeit, z. B. Prüfungskommission für die Hptwm. Prüfung, Reitausbildung, und noch sonstige arbeitsreiche Posten. Ich muß sagen, daß mir das Spaß macht, denn Arbeit ist ja bekanntlich eine gute Medizin gegen trübe Stunden und gegen manch anderes Übel und 2. zeigt es sich so, daß man mich gebrauchen kann. Ich habe nun wieder guten Mut, den Schlag, den mir das Leben diesmal gab, indem es mir eine schöne und berechtigte Hoffnung zerschlug, habe ich pariert und die kleine Wunde verheilt gut. Ich bin gesund und kann, so der Herrgott will, auch nach Kriegsende schaffen und weiterstreben. Einen Wunsch habe ich, der Herrgott möge Dich gesund erhalten, damit Du endlich auch meinen kleinen und bescheidenen Dank empfangen und recht genießen kannst.
Ich hoffe meine Zeilen finden Dich gesund und froh, und Du hast die gleich gute Stimmung wie ich. Heute erhielt ich einen lieben und guten Brief von Gerd, ich soll Dich von ihr von ihrer Mutter grüßen. Nochmals bedauern sie, daß wir nicht Abschied nehmen konnten und beide geben der Hoffnung Aus-
druck, daß wir uns einmal wiedersehen. Ob ich wohl jemals wieder nach N. komme?
Ich freue mich auf das schöne Weihnachtsfest, in diesem Jahr werde ich nicht zu Hause sein können, d. h. es müßte dann etwas Unvorhergesehenes kommen. Schön war es im Vorjahr, da habe ich auch wirklich großes Glück gehabt. Diesmal nun muß ich wieder im Kameradenkreis feiern. Wo werden wir feiern, welches Dach wird uns gastlich aufnehmen. Wir sind doch richtige Zigeuner, so ziehen wir nun durch Europa und können uns Land und Leute ansehen.
In G. liegt jetzt bereits Schnee, schön wird es dort sein, ich erinnere mich gerne der abendlichen Fahrten auf Skiern von Lindh’s über den vereisten Fluß nach Hause, der Mond und das Nordlilcht leuchteten mir und machten Eis und Schneekristalle zu Diamanten. Ringe gibt es hier auch nicht, sonst hätte ich mich hier einmal nach einem für mich umgesehen.
Allabendlich sitzen die Herren hier beim Doppelkopf ich bin direkt froh, daß ich nicht mitmachen kann, viel lieber lese ich oder schreibe einen Schreibebrief. Einen solchen hoffe ich auch bald von Dir zu bekommen, denn schon lange hörte ich nichts mehr.
Dich grüßt und küßt
in alter Frische
Dein großer Junge.