Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 19. November 1942
Köln-Dellbrück, 19.11.42
Mein guter Junge!
Heute muß ich so viel an Dich denken, da will ich ein wenig mit Dir erzählen! Ich hoffe doch, daß Du weiterhin wohlauf bist + frohen Mut hast. Hier ist rechtes Novemberwetter, seit ein paar Tagen dunkel + feucht, immer regnet es fein. Das rechte Grippewetter. – Nun habe ich schon etwas gebacken für Dich. Es gibt nicht viel, aber was ich schicke, ist nach meinen alten Recepten gebacken. Lieber wenig + gut, als viel + es ist nichts. Heute standen Recepte für’s Feldpostpäckchen in der Zeitung, an die armen Soldaten, die das bekommen, alles ohne Fett + Ei. Ich habe das ganze Jahr über gespart an Sonderzuteilungen, sodaß ich jetzt aber auch etwas habe. Die Sonderzuteilung für Weihnachten bekommen wir erst im Dezember.
Das ist ja zu spät zum Verschicken. Ich hoffe, Dir im Januar dann nochmal etwas zu backen. Hoffentlich kommst Du inzwischen nicht fort, so daß es erst wieder ein paar Monate unterwegs ist. Ob Du wohl Weihnachten ein paar Tage Urlaub bekommst? Wenn ich das ja wüßte, schickte ich nichts. Sonst habe ich noch nichts zu Weihnachten, man bekommt aber auch wirklich nichts. Und so unhöflich sind die Geschäftsleute. So werde ich Dir leider auch nichts schenken können. Auch fürs Haus bekommt man nichts. Ich hätte gern noch dies + jenes gehabt, alles nichts. Na, wenn wir nur gesund + beisammen bleiben, dann sind wir zufrieden, gelt. Heute hörte ich, daß man noch hofft, daß der Aug. Acher noch lebt. Er ist als Aufklärer an der Murmanküste gewesen, und hinter unsern Linien abgestürzt. Die Mutter würde noch
hoffen. Ich denke mir das furchtbar. – Nun rückt der Advent heran, die schöne, besinnliche Zeit. Ich hab‘ schon gesungen: „O heiland reiß die Himmel auf!“ Wie Du schreibst, hast Du Deine Skisachen abgeschickt! Ja, in diesem Winter wird es nichts werden mit dem Laufen. Hast Du den Klimawechsel nicht gespürt? Ich bin so froh, daß Du etwas Obst bekommst. Hat Siv noch nicht geschrieben? Ich kann sicher zu Weihnachten keinen Gruß an Lind’s schicken? – Oma ist wieder wohlauf, gestern war sie mit Elli + Finchen in Köln. Heinrich schreibt auch gut. Gott sei Dank! In der Familie gibt es nichts Neues. Auch sonst wüßte ich nichts. Darum schließe ich mit einem lieben Gruß + Kuß
Deine tr. Mutter.