Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 25. Dezember 1942

O.-U. den 25.12.42

Mein liebes, gutes Mütterlein!

Weihnachten 1942, das vierte Kriegsweihnachten, jetzt ist es das dritte Mal, daß ich nicht zum Fest zu Hause sein kann und dennoch will ich sehr zufrieden sein. Wunderbar und gnädig hat uns der Herr beschützt, ich weiß Dich gesund Daheim, um Dich werden liebe Menschen sein, die auch allein sind und mir geht es ebenfalls gut. 39 feierte ich in der Eifel; die heilige Nacht war frostklar und wurde durch einen herrlichen Sternenhimmel geziert, den Gang zur Mette werde ich nicht vergessen. 1940 war ich fern der Heimat, hatte aber liebe Menschen gefunden, die sicherlich heute von mir sprechen werden und sich gerne an den heiligen Abend 1940 erinnern werden. Im Vorjahr hatte ich das Glück bei Dir zu sein! Und wie ist es in diesem Jahr?

Mein Chef ist heute in Urlaub und auf

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auf ein längeres Kommando gefahren. Bis März bin ich nun Herr im Haus und trage zu den Freuden und Pflichten des Alleinregierens natürlich auch die Sorgen. Es ist bestimmt nicht leicht annähernd 200 ältere Männer zu führen, auszubilden und für sie zu sorgen. Und trotzdem es macht Spaß. Die Organisation und Fürsorge für die Truppe macht mir manche Freude. So hatte ich mich denn auch um die Vorbereitungen zum Weihnachtsfest gekümmert. An verschiedene Bauern hatte ich Gespanne gestellt und als Gegenleistung bekam ich Mehl. Fett, Kaffee, Mandeln, Zucker usw. waren eingespart worden. Ich habe dann einen Bäcker gesucht und ihm Dein Rezept für Bienenstich gegeben. Für einen gemeinsamen Kaffeeklatsch im Rahmen der Einheit war gesorgt. Er ist heute um 3 Uhr gestiegen! Einen unserer Feldküchenaspiranten habe ich schlachten lassen, und wir bekamen pro Mann 1 Kotelett oder Schnitzel, Kohl gibt’s in rauhen Mengen. Ein Zusätzliches

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Abendessen war fertig, und nach demselben stieg dann die Feier, wie immer war’s – feldgraue Weihnacht ist schlicht und doch packt es einen, ernste Männer, zumeist Familienväter denken an die Lieben zu Hause, die Gedanken der feldgrauen Front und die derer Daheim treffen sich unterm Lichterbaum. – Mir ging es nicht anders, und gespürt habe ich Dein inniges Gebet für Deinen großen Jungen. – Bei unserer schlichten Feier gab es dann einen bunten Teller, mit selbstgebackenem Spekulatius, Mandeln, Pfeffernüssen, Bonbons, Zigaretten, Äpfeln und Drops. Kurz gesagt, alle Kameraden waren zufrieden, keiner hatte gedacht, daß die neue Einheit schon so sorgen würde. – Nun denke ich bereits an die Sylvester Feier! Übrigens gab es auch etwas zum Trinken, ich hatte einen ausgezeichneten Glühwein gemacht.

Auch die Mittagskost war prima, so hat also der Magen gespürt das Festtag ist. – Das schönste jedoch war, daß uns

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ein junger Düsseldorfer Kaplan, ein gebürtiger Kölner, die heilige Messe las und uns als schönste Weihnachtsgabe den Heiland selbst brachte. Während dieser stillen Feier habe ich an Dich, mein Mütterlein, gedacht. –

Wie manches Weihnachtsfest wurde in unserem schönen Heim festlich begangen, wie oft bauten wir die Krippe, welche große Freude hatten wir jährlich daran, wie sparten wir um wieder eine Figur an unsere Krippe stellen zu können. Unvergeßliche Stunden!

Ich bedanke mich nochmals herzlichst für Deine lieben Gaben. Dein 3. Päckchen mit den feinen Leckereien ist wohlbehalten angekommen. Meine Quartierwirtin, (die Oma hat heute kleinen Besuch, 6 Enkelchen bleiben über Weihnachten hier und füllen mit ihrem frohen Spiel und Lärm das ganze Haus) wollte garnicht glauben, daß Du das Alles selbstgebacken hast. Sowas trauen sie hier nur dem

Zuckerbäcker, wie sie ihn heißen, zu. Zu fein, war auch Alles, besonders schmecken die Nußstangen und der Heidesand.

Ich hoffe, daß die Weihnachtsgans gut angekommen ist und recht lecker geschmeckt hat. Ein recht schönes Geschenk habe ich noch hier und muß einmal sehen wie ich es nach Dellbrück bringe. Gern möchte ich Deine Augen sehen, wenn Du es erhältst. Hast Du auch das zweite Paar Strümpfe bekommen? Morgen oder übermorgen geht ein Päckchen für Dich ab! – Im Übrigen hatte ich 2-3 Tage leise Nierenbeschwerden, die aber durch Wärme wieder behoben sind. Nach den Tagen beginne ich mit einer Bandwurmkur, woher ich das Biest habe, kann ich mir selbst nicht erklären. – Und nun mach‘ ich für heute Schluß.

Dich grüßt und küßt
in Treue
Dein Junge.