Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 28. Dezember 1942

Köln-Dellbrück, 28. Dez. 1942

Mein lieber, lieber Junge!

Mir ist eingefallen, daß ich in aller Arbeit vor dem Fest, und auch in meinem letzten Brief vom 1. Feiertag ganz vergaß, für Deine lieben + herzlichen Grüße + Wünsche zum schönsten aller Feste zu danken. Ich hole es hiermit nach, und ich kann Dir sagen, daß ich ein schönes Fest verlebt habe. Gewiß, die Freude bleibt still, auch so froh singen, wie in früheren Jahren, konnte ich nicht. Die Gedanken gehen doch immer, und je länger der Krieg dauert, umso mehr zu Euch Lieben da draußen. Vieles müßt Ihr ertragen, vielen entbehren + das Schwerste steht Euch noch bevor. Und das fühlen wir Mütter + Frauen mit. Denn allenthalben ist es so, es ist ja wohl auch keine Familie, die nicht irgend Jemand aus ihrem Kreise in Feindesland hat! Aber allzu sehr darf man sich

diesen Gedanken nicht hingeben, man muß Gottvertrauen haben. Nun danke ich auch für Dein liebes, herzliches Schreiben vom Heilig-Abend. Ich schrieb Dir ja schon, daß der Weihnachtsbraten, Dein kostbares + gütiges Geschenk Freude bereitet hat. Wie sollte es das auch nicht in dieser Zeit. Und gut geschmeckt hat es auch. Ich habe noch ein Stückchen Brust, immer hatte ich die leise Hoffnung, Du kämest noch unerwartet. Du solltest doch der Erste sein, der in Urlaub fahren würde. Und es ist doch nicht so weit! Aber Du kämest schon gern, wenn Du könntest! – Habt Ihr in Ruhe feiern können? Wie war es? Hast Du Deine Süßigkeiten alle auf. Hoffentlich hast Du nicht zu viel verteilt, denn ich habe es nur für meinen Jungen mir abgespart! Hast Du schon etwas gehört wie lange Ihr wohl noch bleibt. Heinrich kam ja im vorigen Jahr kurz nach Weihnachten auch fort. Ihm soll es blendend gehen, wie Johanna schreibt Sie + Elli sind noch da, O. Toni kam gestern zurück. Heinrich hatte sich riesig über seinen Besuch ge-

freut. Und reichlich beschenkt habe man ihn!

Nun ist es wieder still im Hause, Oma mit den Kindern ist fort. Zu Sylvester kommt wie wieder her, auch Elli. Jansens gehen nach Bickendorf, da wäre ich allein im Hause. Oder kommst Du, mein Junge?!!!

Nun möchte ich Dir meine Wünsche + Grüße zum neuen Jahr übermitteln. Mein Kind, Gottes reichster Segen werde Dir zuteil. Alles Liebe + Gute, was nur ein Mutterherz wünschen kann, möge Dir beschieden sein. Ein starkes Herz schenke uns unser Herrgott, um alles tapfer zu tragen. Mein Gebet begleitet Dich auf allen Deinen Wegen! –

Hast Du schon Antwort auf Deinen Gruß aus Gol? Ich habe auch hingeschrieben! An die lieben Menschen denke auch ich oft. – Heute war Fr. Plantz hier, Richard ist noch in Iserlohn, war vorige Woche hier, kommt morgen für einige Tage. Karl-Heinz Perger hat sich verlobt. Schrieb‘ ich Dir, daß Hanne Kampmann sich vermählt hat? – Nun geht es wieder an die Arbeit. Wir haben noch viel zu tun.

Und nun mein Junge nochmals Glück + Segen im neuen Jahr + einen herzlichen Neujahrsgruß + Kuß von
Deiner sich nach Dir sehnenden
Mutter.