Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 17. Januar 1943
O.-U. den 17.1.1943
Liebes Mütterlein!
Der Sonntag geht dem Ende zu, über dem Kanal, ganz weit hinten am Horizont verglüht im West der Tag, der Wind frischt auf, die ersten Sterne glänzen im frostklaren Firmament. Ich bin heute nicht herausgekommen, ich habe den ganzen Tag arbeiten müssen, denn morgen bin ich dienstlich unterwegs, ich muß für einen Tag verreisten, da gilt es vorarbeiten. Gestern Abend erhielt ich Deinen lieben Brief vom 15.1. für den ich recht herzlich danke. Ich bin herzlich froh, daß Du wohlauf bist und zufrieden und wohlgemut in die Zukunft siehst. Um mich brauchst Du Dir auch wirklich keine Sorge zu machen. Ich bin gesund und ganz ehrlich – Hand auf dem Herzen – ohne jede Beschwerde. Über unsere Zukunft bestimmt der Herrgott, von einem baldigen Versetztwerden usw. wissen wir garnichts. Oma war also krank, die Ärmste. Es ist doch immer der Kopf! Was macht der kleine Fritz? Berta schickt mir prompt die Frankfurter Illustrierte, ich will ihr nicht schreiben, daß wir hier dieselbe Zeitung termingemäß bekommen. Deinen Brief, der einen Gruß von Siv enthält, habe ich noch immer nicht erhalten. Ich glaube auch, daß mal wieder Post verloren gegangen ist. – Du arbeitest wieder Tropensachen?
Hat sich immer noch nichts anderes gefunden? Ich würde Dir so gern helfen!
Was mache ich nun heute Abend? Nach dem Essen, das um 7.00 Uhr im Kasino, einem geräumten Haus, eingenommen wird, werde ich lesen. Ich habe reichlich Stoff, die Arbeit erlaubt nur Abends ein halbes Stündchen und dann wird es nie lange, denn die Augen fallen zu. Ich komme ebenfalls auch kaum zum Schreiben. Die Zeit verfliegt so im Fluge! Eine Woche ist um ehe man es sich versieht. Der Urlaub rückt schon bald näher. Auch wir haben in der vergangenen Woche den Weihnachtsbaum aus dem Kasino genommen. Ich habe dabei an unser Heim gedacht, habe mich daran erinnert, wenn wir die Krippenfiguren einpackten.
Nun muß ich für heute Schluß machen sonst komme ich zu spät zu Tisch und dann muß ich in die Tischkasse zahlen.
Mit Frohsinn geht’s in die neue Woche.
Gruß und Kuß
sendet Dir
Dein großer Junge.
Ich grüße Oma auf das Herzlichste und lasse gute Besserung wünschen.