Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 22. Januar 1943
O.-U. den 22.1.43
Mein liebes, gutes Mütterchen!
Deinen lieben Brief vom 17.1. für den ich Dir herzlichst danke, will ich gleich heute beantworten, ich nehme mir heute einfach die Zeit. Eben habe ich mit vernehmlichem Geräusch die Akten zugeklappt, der Papierkrieg für heute beendet. Ich glaube auch, daß es Zeit war, die Uhr zeigt 21.30. Ich freue mich, daß es Dir gut geht, daß Oma Dich häufiger und gerne besucht, und daß Du Dich auf meinen Urlaub freust. Letzteres tue ich ganz riesig! Mir geht es gut, die Arbeit läßt die Tage nur so vergehen, es macht Spaß so schaffen zu können. Ich habe, dem Himmel sei Dank absolut keine Beschwerden. Am Montag werden wir wiedereinmal unseren Wohnsitz wechseln. Morgen will ich mir die neuen Quartiere einmal ansehen, sie sollen besser sein, d. h. die Quartiere der Mannschaften u. Pferde. Ob ich wieder so ein gemütliches Zimmerchen und so nette und liebe Quartierleute bekomme, ist noch sehr fraglich. Die Hauptsache ist jedenfalls, daß die Leute, die Pferde und Kraftfahrzeuge besser unterkommen. Meine Dienstreise war ganz amüsant und erfolgreich. Die Dienstangelegenheiten konnte ich zur Zufriedenheit meiner Vorgesetzten regeln, es fielen dann später noch einige Stunden in froher Gesellschaft in der Landeshauptstadt ab. Leider habe ich sie nicht bei Tageslicht gesehen, sie muß sehr schön sein! Gewohnt habe ich in einem eleganten Hotel, „Suisse“ hieß es. – Viel Freude macht mir jetzt ein Soldat meiner Einheit. Ihm habe ich aus der Batteriekasse Geld zur Verfügung gestellt um sich Malutensilien zu kaufen. Nun ist er mit Passion bei der Sache. Ich würde mich freuen, wenn er bei dem ausgeschriebenen Wettbewerb einen Preis holen
würde. Er ist Dr. phil. ist Kunstkritiker bei einer westfälischen Zeitung und schwankt nun zwischen dieser Tätigkeit, dem Broterwerb und seinem Künstlertum. Vielleicht kann ich ihm durch meinen Auftrag den Weg weisen. Siehst Du, das sind meine Freuden!
Zu hören, daß Siv doch an mich gedacht hat, freut mich sehr, leider ist Dein Brief mit ihrem Gruß nicht in meine Hände gekommen. Auch Dein Päckchen mit Kuchen, von dem Du schreibst, habe ich nicht erhalten. Schade, aber nicht zu ändern. Klagen über häufigen Verlust von Feldpostsachen habe ich eigentlich noch nicht gehört. Ob tatsächlich jemand Interesse an unserem Briefwechsel hat, oder ob wieder Marder am Werk sind, die dickere Briefe auf Geld und Päckchen auf Lebensmittel hin untersuchen. Gleich morgen werde ich nach Norwegen schreiben und auch Deinen Weihnachtsgruß ausrichten. Dort oben habe ich wirklich liebe Menschen kennengelernt. Ob man die noch einmal wiedersehen wird?
Wie geht es sonst? Hast Du Dich nun allmählich an Deine neuen Zähne gewöhnt? Kannst Du schon unbekümmert kauen und beißen? Das interessiert mich sehr, das mußt Du mir einmal erzählen! Hast Du auch noch genügend zum Anziehen, vielleicht kann ich hier noch einmal etwas besorgen, allerdings ist Alles sündhaft teuer!
Jetzt mache ich für heute Schluß
und grüße Dich mit vielen Wünschen und Küssen
Dein großer Junge.