Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 26. Januar 1943
Köln-Dellbrück, 26.1.43.
Mein lieber, guter Junge!
Deinen lieben Brief vom 17.1., den ich gestern erhielt, will ich gleich beantworten. Ich hatte schon darauf gewartet, und ich danke Dir für die guten Nachrichten. Jetzt, in diesen schweren Tagen, wo alles nach Stalingrad hinschaut, wo man so + so oft an die armen Menschen dort denkt, braucht man nötig ein liebes, mutiges Wort. Wir Frauen besonders, wir sind ja zu sehr mit dem Herzen in dem ganzen Krieg. Der Tommy benützt auch fleißig die Gelegenheit uns zu beunruhigen + uns alles mögliche zu prophezeien. Ja, wir müssen durch eine schwere Zeit hindurch, niemand kann uns helfen. Und Mut + Vertrauen muß uns hochhalten. Jetzt ist auch die Jahreszeit, wo man körperlich sehr anfällig ist. Gestern habe ich auch einige Stunden gelegen. Ob es etwas Grippe ist? Es ist auch rechtes
Wetter dazu, naß, Regen, Schnee + Wind. –
Habt Ihr den Umzug gut überstanden? Hast Du ein nettes Quartier? Hoffentlich! – Es ist aber doch schade, daß das Kuchenpäckchen nicht angekommen ist. Man muß alles so absparen, die letzten Rosinen + Mandeln hatte ich gebraucht, Butterschmalz + Eier. Auch mancher Brief geht verloren. Hast Du das Schreiben der Apothekerschaft erhalten? Siv hatte auf einem kleinen Kärtchen einen Weihnachts + Neujahrsgruß gesandt an Ltn. Fritzchen Schmitz. Ich bat Dich verschiedentlich um eine Zulassungsmarke, hast Du noch eine? Ich möchte Dir nochmals ein kleines Päckchen schicken! Solltest Du Gelegenheit haben, mir etwas zum Anziehen kaufen zu können, ich wäre Dir dankbar. Hier ist alles knapp, bes. Punkte. Übrigens hast Du eine neue Kleiderkarte? Ich habe jetzt eine bekommen! Hast Du bald eine lange Hose? Wie ist es mit Geld? Soll ich etwas schicken? Ich frug ja schon mal. An meine Zähne habe ich mich schon ziemlich gewöhnt. Es ist natürlich nicht so, wie die eignen, aber doch kann man gut essen + kauen damit. –
Klein Fritzchen hat seinen ersten Ausflug gemacht. Er war ausgerissen + nach T. Stina gelaufen. Johanna soll heute zurückkommen. Oma ist froh, es ist ihr allmählich doch zu viel, all das Laufen + die Kinder versorgen. Ich soll Dich grüßen von Herrn Reuland. Schmitz Pitter, der Fremdenlegionär ist nun in Afrika gefallen, das Land hat ihn nun doch behalten. Beiliegend ein Brief von Bartz. Vielleicht schreibst Du mal hin. Ich will jetzt mal an Deenen’s schreiben, Essen bekommt jetzt auch viel mit. In der Kupfergasse gab es am Freitag wieder fast 30 Tote, auch im Café Reichardt! Heute kommt vielleicht Fr. Plantz. Richard ist in den Hohen Tauern zur Erholung. Sonst wüßte ich keine Neuigkeiten. Hoffentlich läßt uns der Herrgott gesund! Und hoffentlich wird es was mit Deinem Urlaub.
Und nun Schluß! Mit den herzlichsten Grüßen + Küssen bin ich Deine
Dichliebende Mutter.