Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 16. Februar 1943
Köln-Dellbrück, 16.2.43.
Mein lieber Rudolf!
Nun wird es aber Zeit, daß ich Dir schreibe! Sonntag-Abend wollte ich es tun, aber da kam Alarm, und es war wieder ein heftiger Angriff auf Köln. Da war mir die Lust vergangen. Auch gestern, als man wieder hörte, was alles passiert war, da war ich wieder ganz niedergeschlagen. Aber, es hilft alles nichts, man macht sich nur noch nervöser, als man schon ist. Wir werden hier noch allerlei mitmachen, davon ist Jeder überzeugt! Gestern abend kam noch der Luftschutz + ordnete an, daß wir Zeichnungen von unserm Luftschutzraum machen müssten, damit bei Verschüttungen direkt an der richtigen Stelle gegraben würde. Allenthalben machen sie Gasübungen im Luftschutz! Die Verluste im Osten sind auch sehr schmerzlich; sowohl die Menschenopfer als
auch der Landverlust, der mit so großen Opfern erkämpft wurde. Es ist jetzt sehr schwer für uns. Möge unser Herrgott uns nicht verlassen, daß wir nicht den Feinden in die Hände fallen. –
Wie geht es Dir mein Junge? Ich höre jetzt so wenig von Dir! Hast Du so viel zu tun? Die letzten Tage ist hier sehr schlechtes Wetter, Stürme, Regen + Hagel + Kälte. Trotzdem haben wir jeden Abend oder des Nachts Alarm. Sonntag war ich in Gladbach, Oma war auch bei Elli. Kaum war ich zu Hause, 7 ½ Uhr, da kam schon Alarm. Man hat zu nichts mehr Lust! Ich bin gespannt, ob unsere Firma geöffnet bleibt. Ich brauch mich ja nicht zu melden, weil ich über das festgesetzte Alter hinaus bin. Ich würde am liebsten zu Bauern gehen, wo es gutes Essen gibt, und weniger Luftgefahr ist. Aber es geht nicht! Oma war auch hier, sie ist voller Sorge. Die armen, alten Leute, Loni, Ellis Freundin, ist auch sehr heimgesucht worden. Voriges Jahr verunglückte ihr einziger Bruder in Frankreich, vor einigen Monaten starb ihre Mutter, jetzt bekam sie die Nachricht, (am Freitag), daß ihr
Mann gefallen sei, am Sonntag-Abend ist sie ganz fliegergeschädigt worden. Dabei ist sie nierenkrank, so daß sie nur halbe Tage zu arbeiten braucht. Das arme Geschöpf. Ist es nicht furchtbar? Man lebt nur noch von einem Tag auf den andern. Zu nichts hat man noch Lust! Es ist gut, daß man nicht weiß, was noch kommt! –
Nun genug für heute. Sei vielmals gegrüßt + geküsst von Deiner Dichl. Mutter.