Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 20. Februar 1943
Köln-Dellbrück, 20.2.43.
Mein lieber, guter Junge!
Es ist Samstag-Abend. Die Arbeit ist getan. Ich denke an Dich, mein Kind. Wie schön wäre es, wenn Du nun hier wärst, oder gleich nach Hause kämst! Wie viele Gedanken mögen jetzt in dieser Zeit aus der Heimat in die weite Welt, und umgekehrt aus der Ferne in die Heimat gehen! Ein Strom von Liebe ergießt sich herüber + hinüber. Gott sei Dank, daß Du noch da bist, daß ich Dir noch schreiben kann. – Gestern erhielt ich ein Päckchen von Dir mit einem lieben Brief vom 4.2. + heute einen Brief vom 15.2. Für Deine lieben Worte, Dein liebes, treues Gedenken danke ich Dir herzlich. Ich weiß, mein Junge, daß Du mit mir fühlst und ich bin froh darüber. Ja, wir müssen uns nur an unsern Herrgott halten, sonst kann uns niemand helfen. Ja, in Köln haben wieder viele Menschen ihr Leben
lassen müssen. An der Hohepforte ist viel zerstört, in Sülz, Nippes, Bayenthal, die Hindenburgbrücke ist getroffen. Auch Deutz + Mülheim haben Schäden. Und weitere Vororte von Köln. Ja es ist schlimm. Wir sind machtlos . – Wir gehen noch in den Keller in der Schule. Dort meint man, man wäre sicherer, als zu Hause. Allerdings bei den neuen, schweren Bomben der Amerikaner ist man wohl nirgends sicher. – So sind also von Deinen alten Kameraden schon welche gefallen? Ja, der Osten hat schon viele Opfer gefordert, und es werden noch viele sich opfern müssen. Gebe Gott, daß wir Herr bleiben und den Bolschewismus niederringen. Die neuste Rede von Dr. Goebbels hast Du auch doch gehört? Man sieht, wie groß die Gefahr ist. Und wir wissen nicht, was die Sowjets noch alles haben. Die scharfen Maßnahmen betr. der Arbeit sind auch angebracht. Das hätte schon eher sein können. Hoffentlich werden nun auch Alle herangeholt! – So, der Engländer scheint nicht zu kommen, das Radio ist wieder da, ich geh schlafen, morgen schreibe ich weiter.
Ein schöner Sonntagmorgen. Nachdem der Nebel gesunken, strahlt die Sonne am blauen Himmel. Ich will früh essen, dann mit A. Böhner nach Gladbach fahren zu Elli und dann wollen wir gemeinsam ein bischen wandern. Du willst also in Deinem Urlaub nach Dresden. Da wird Heinrich sich aber freuen. Fährst Du auch mal bei H. Kirste vorbei? Ob ich mitkomme, das überlegen wir mal. Schade, da muß ich Dich ja einige Tage entbehren. Aber ich gönne es Dir + Heinrich. Rudolf Du mußt nicht immer Rechenschaft ablegen über Dein Geld. Du brauchst nicht zu sparen. Ich schicke Dir gern, wenn Du schreibst. Es ist ja doch Dein Geld! Bringe auch mal Deine Kleiderkarte mit, ich bekomme bei Lenders Hemden für Dich. – Ist Dein Chef zurück? Und wann kommst Du nun? Du kannst Dir denken, daß ich mich freue! Übrigens danke ich auch für die netten Sachen aus dem Päckchen. Wo kommst Du an das hübsche Deckchen? Die Cigarren waren alle total zerdrückt.
Und ein zweites Päckchen soll ich noch bekommen? Fein! – Nun blühen schon die Schneeglöckchen + die Crokusse, der Winter ist vorüber; gottlob, er war nicht allzu hart. Ich kann mir vorstellen, daß Du viel + gern an Norwegen denkst. Ich glaube, (ich habe so das Gefühl,) in Holland gefiele es mir auch nicht. Norwegen gefiele mir auch besser. Ich möchte da mal gerne hin. –
Sonst ist hier alles beim Alten. O. Arnold ist nur sehr erkältet! Und nun will ich Schluß machen. Empfange mit vielen guten Wünschen + lieben Grüßen einen Kuß von
Deiner Mutter.