Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 23. Februar 1943
Köln-Dellbrück, 23.2.43.
Mein lieber, guter Junge!
Heute erhielt ich so viel Post von Dir, daß ich aber gleich antworten will. Heute früh kam Dein lieber Brief vom 19.2. an, eben ein lieber Brief vom 20.2. + dann auch noch das schöne Päckchen. Für so viel Liebe + Sorge sage ich Dir meinen allerbesten Dank! Leider kann ich es Dir jetzt nicht entgelten, weil noch immer Päckchensperre ist. Aber ich hoffe, daß Du bald kommst, und dann werde ich Dir so viel ich kann, entgelten. Inzwischen wirst Du meinen Brief vom Sonntag erhalten haben, der Dir zeigt, daß die Nervosität wieder etwas abgeklungen ist. Das ist bei allen Leuten so, nach einem schweren Angriff, wenn man so alles hört, was passiert ist, da ist alles gedrückt. Nach ein paar Tagen geht es wieder besser. Im Großen + Ganzen bin ich auch zufrieden + dankbar,
denn wir haben den Krieg in seiner ganzen Härte noch nicht gespürt, weder Du noch ich. Dafür danke ich auch von ganzem Herzen täglich unserm Herrgott. Also mache Dir nicht zu viele Sorgen um mich. Vorläufig bleibt alles mal, wie es ist. Erstens habe ich Arbeit hier + zweitens möchte ich die Wohnung nicht allein lassen. Auch nach Mitteldeutschland u.s.w. kann der Tommie kommen. Und meiner Rente leben kann + will ich nicht. Alle Andern müssen ja auch hierbleiben, Oma, T. Marie, T. Stina u.s.w. Und so lange wir in die Schule können, geht es ja auch. In Dellbrück hatten wir gottlob keine Schäden, auch keine Abwürfe, das Nächste war Mülheim, Refrath + Paffrath. Der Angriff war auch nichts des Nachts, sondern des Abends um 8 ½ Uhr. Heute werden wir wohl Ruhe haben, es ist so neblig, den ganzen Tag schon. Auch gestern Abend war nichts. Augenblicklich habe ich auch ziemlich Arbeit, Krawatten für A. Und sonst ist bei mir alles beim Alten, ich hatte heute einen schönen Tag, 2 liebe Briefe von Dir und das feine Päckchen.
die Marken werde ich O. Willi bringen, oder ich gebe sie H. Ermert + Du bringst sie O. Willi nochmals mit. Gerhard von T. Anna ist in Urlaub aus Frankreich. Oma geht es gut, gestern morgen war sie hier + trank Kaffee mit mir. Sie ist in ewiger Sorge, kannst Du Dir ja denken. Ellis Schwiegermutter ist auf der Besserung. Willi ist noch in Antwerpen, er schreibt wenig. Der Bräutigam von M. Lingens ist in englischer Gefangenschaft, auch ein hartes Los. Von Wolfgarten, dem Anstreicher war einer bei Stalingrad dabei, sie haben noch nichts gehört seit November. Einen Sohn verloren sie ja schon. Der älteste Sohn von Heinrichs hat auch seit dem 12. Dez. nicht mehr geschrieben, er war in Rostow. Jetzt waren viele Todesanzeigen
von älteren Soldaten in der Zeitung, 28, 29, 30, 31 + 32 Jahre. Wie es scheint, flauen im Osten die Angriffe etwas ab. Es wäre ein Glück, daß die armen Menschen etwas zur Ruhe kämen. O. Arnold war für ein paar Stunden in Eschweiler. Der Bernhard von O. M. ist am Ilmensee. – Ja Du hast recht, wir wollen den Kopf hoch halten, der alte Gott lebt noch. Übrigens habe ich Dir auch ein Buch gekauft: „Der Held von Ommerborn!“ Ein bergischer Roman. Und nun Gott befohlen mein Junge. Ich grüße + küsse Dich recht herzlich auf baldiges Wiedersehen freut sich
Deine Mutter.