Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 26. April 1943
Ostermontag, 1943
Mein liebes Mütterlein!
Gestern Abend erhielt ich Ellis lieben und ausführlichen Brief vom 21.4. in dem sie mir mitteilt, daß Deine Erkältung sich zu einer regelrechten und ordentlichen Grippe entwickelt hat und Du nun schon seit Samstag, den 17.4. das Bett hütest. Wenn ich mir auch einige Sorgen um Dich mache, weiß ich Dich aber bei Dr. Berhausen in guten, d. h. verantwortungsbewußten Händen und ich hoffe, daß es seiner Vorsicht und Arbeit gelingt Dich bald wieder auf die Beine zu bringen. Draußen ist es nun wirklich Frühling geworden, da, kann man sich doch nicht einfach in’s Bett legen! Unsere gute und gesunde Natur, Dein Mut und Vertrauen zum Arzt wird schon bald helfen. Wenn meine Zeilen in Deinen Händen sind, hoffe ich, daß Du fieberfrei bist. Die Tabletten von Bayer „Sulfapyridin“, die Dir der Arzt verordnet hat sind ein Chemotherapeuticum gegen verschiedene pneumokokkentypen, d. h. sie enthalten chemische Bestandteile, die die Erreger einer Pneumonie oder Lungenentzündung an sich reißen und binden. Sie sind ein
vorzügliches Vorbeugungsmittel. Also, Kopf hoch, die ärztlichen Verordnungen schön befolgen, tüchtig essen! (Ist ein Päckchen aus dem Münsterland angekommen?)
- Mir geht es wieder gut! Auch ich habe mich am Samstag, den 17. also an meinem Namenstag in’s Bett gelegt, d. h. Freitag um 18.00 Uhr ging’s schon los und liege immer noch. Ich vermutete richtig Absceßbildung an der rechten Tonsille. Falsche ärztl. Behandlung nach meinem Dafürhalten. Er bekämpft den Absceß. Er geht zurück ich bin 1 ½ Tage (Karfreitag) fieberfrei und darf 2 Stunden spazieren gehen, abends erhöhte Temperatur, Schluckbeschwerden links. Na, das geht so weiter, nun wende ich unsere altbewährte Methode an, ich mache Kopfschwitzbäder über Kamillen. Gestern ist der Absceß nun geplatzt. Es kam allerlei Dreck raus. Im Augenblick bin ich beschwerdefrei und habe auch kein Fieber. So wird es bald zum guten Ende kommen. Ich habe Ostern 1943 also im Bett erlebt. Es war noch nicht einmal so schwer. Obwohl in der ganzen Karwoche herrliches Wetter war, stürmt es seit gestern wieder ganz unbändig und heute morgen hat es sogar schon einige Regenschauern gegeben. Man kann den Ofen tatsächlich noch gebrauchen. Die Ordonnanz hat mir einen wundervollen Tulpenstrauß auf den Tisch gestellt und versorgt mich mit Eifer.
6-8 Herren habe ich für kurze Zeit täglich hier oben bei mir zu Besuch. Daß der Herr Rgt’s Kommandeur mich aufsuchte, schrieb ich Dir ja schon.
Nun klappt das hoffentlich mit Deiner baldigen Genesung. Dann mußt Du Dich aber unbedingt von der ewig kranken Frau Ermert zurückhalten, denn, wie ich mir das so vorstelle, hast Du für Deine Hilfsbereitschaft doch keinen Dank. Ich glaube vielmehr, die glauben, das müßte so sein, sie seien es wert. Uns sitzt aber das Hemd näher als der Rock. Erst kommen wir und dann die anderen noch lange nicht. Kein sozialer Gedanke, aber Du weißt ja wie ich’s meine. Du sollst Dich nicht ausnützen lassen und für dumm verschleißen lassen.
Was gibt es sonst Neues? Sobald es geht, schreibst Du mir wieder.
Nun will ich Schluß machen. Mit vielen guten Wünschen zur baldigen Wiederherstellung grüßt Dich mit einem Kuß
Dein Junge.
Wenn das mit dem Urlaub so weiter geht, bin ich Ende August wieder an der Reihe. Feine Sache was?
Liebe Elli!
Habe recht vielen Dank für Deinen ausführlichen Brief, der mir ein klares Bild über Mutter’s Zustand gibt. Ich hoffe, daß Dr. Berhausen sie bald wieder auf die Beine bringt. Wenn ich Euch Allen, Oma, Tante Finchen usw. zu Osten keinen Gruß geschickt habe, bitte ich mir das zu verzeihen. Sobald ich vom Arzt die Erlaubnis aufzustehen erhalte schreibe ich Allen einmal ausführlich. Ist es nicht merkwürdig, daß Mutter sich zum selben Zeitpunkt wie ich hingelegt hat? Wieder einmal ein Beispiel für die Duplizität der Fälle! Vielleicht kann ich einige Tage Erholungsurlaub herausschinden, ich muß mal sehen, was sich machen läßt.
Recht herzlichen Gruß und nochmals meinen Dank für Deinen Brief.
Frohen Gruß
Rudolf.