Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 1. Mai 1943
O.-U. den 1.5.43
Mein liebes Mütterlein!
„Winterstürme wichen dem Wonnemond“ heißt es im Nibelungenlied und mein Herz stimmt in diesen Jubel mit ein. Schönste Zeit im Jahr! Selbst hier die Gegend in ihrer Herbe und Kahlheit bekommt einen Glanz, nun wird es wirklich grün und endlich Sommer. Wenn der Winter auch nicht hart war, wenn er nur wenige kalte Tage gehabt hat, er war unangenehm unfreundlich. Man lebt jetzt auf! Besonders freuen wir uns über den erfrischenden Wind der nun bläst. Endlich lernen wir wie wir uns als Sieger im besetzten Land zu benehmen haben, wie wir allein
die Unverschämtheiten und offenen Gehässigkeiten der Bevölkerung zu entgegnen haben. Jetzt macht man allenthalben große Augen und tut erstaunt. Es wäre ja zum Lachen, wenn wir mit diesem kleinen Kroppzeug nicht fertig werden würden.
Ich hoffe, daß der Mai Dir nun die volle Gesundheit wieder schenkt, und Du bald in die frische, junge Natur hinaus kannst.
Mir geht es gut! Ich bin auf, soll aber das Haus noch nicht verlassen. Ich muß dem Arzt ja wohl folgen und will noch geduldig sein, bald dar ich ja wohl raus.
Sind die Päckchen wohlbehalten angekommen? Kannst Du schon lesen? Ich schicke heute wieder ein Buch. „Kiss“ ist ein Bekannter aus Norwegen. Er führte oben bei Aalesund als Hptm. eine Batterie der Abteilung unseres hiesigen Kommandeurs. Wir haben schon oft über ihn im abendlichen Kreis gesprochen und auch über die Welteislehre diskutiert. Aus diesem Grund kaufte ich das Buch. Es liest sich flott und spannend!
Morgen Sonntag werde ich bei schönem Wetter und Windstille ausgehen dürfen, sagt eben der Arzt. Ich freue mich darauf.