Anna Schmitz an Sohn Rudolf, 7. November 1935

Köln-Dellbrück, 7. Nov. 35.

Mein lieber, großer Junge!

Obwohl es schon spät ist, fast 11 Uhr, will ich noch schnell ein bischen mit Dir erzählen. Morgen komme ich nicht dazu. Wir haben nämlich viel Arbeit, und da möchte ich tüchtig davon mit haben, damit ich etwas verdiene. Ich kann das Geld um 100 Ecken gebrauchen. Also bei mir ist alles beim Alten. Ich sitze an der Maschine, bis ich meine Arbeit fertig habe, dann fahre ich nach Köln, komme zurück und setze mich an die Maschine. – Da vergeht mir das Heimweh und ich vergesse das Alleinsein! –

Daß ich mich über Deinen lb. ausführlichen Brief gefreut habe, kannst Du Dir vorstellen. Ich war doch so neugierig, wie es Dir gefiele. Wie es dort war, daß wußte ich in großen Umrissen aus der Zeitung am nächsten Morgen, als Du weg warst. Über Euren Transport, Eure Ankunft + Empfang in I. + Eure erste Arbeit war eine Reportage im neuen Tag in Wort + Bild, 2 Tage hinter einander! Es sind ja schöne, helle Kasernen. Also ich war nicht beunruhigt, als ich so lange auf die erste Nachricht warten mußte. Steimels waren schon hier und machten sich allerlei Gedanken, dabei hatten sie schon am 2ten Tag eine Karte. Also Ihr seid nicht zusammen? Es ist ja schön, daß die Stuben nicht so groß sind, das ist doch heimeliger, nicht wahr? Und alles neu + hell. Auch seid Ihr in Wäsche gut ausstaffiert. Wer wäscht nun? Könnt ihr waschen lassen. Dann tue es, es wird doch besser, wenn es auch etwas kostet.

Da hast Du ja einen schweren Dienst als Fahrer. Hoffentlich kannst Du es leisten. Wenn das Essen gut bleibt, dann denke ich doch. Es ist ja sehr schön, daß Du auch noch weiter lernst.

Wenn Ihr nun die Arbeit mal besser versteht, geht’s auch wohl besser. Was macht Dein Ulrich? Gibst Du ihm auch Zucker? Sei gut zu ihm. Ist er treu? Es ist doch schöner, es ist etwas Lebendes, besser als das kalte Metall. Er kennt Dich sicher schon bald! –

Dann seid Ihr wohl heute vereidigt worden! Was es festlich? –

Also mein Kind, ich schicke Dir Anfang der nächsten Woche das Gewünschte, Glycerin + Seife. Brauchst Du sonst noch etwas? Kleiderbügel. Reibe Dir jeden Abend die Hände ordentlich ein, damit sie wieder heil werden. Dort ist es wohl rauh? Ziehe auch die Strickjacke an, damit Du Dich nicht erkältest. Wie ist es, bekommt Ihr die Brote fertig geschmiert? Oder ganzes Brot? Ich denke, Du erzählst am Sonntag weiter. Bei Oma haben sie sich sehr über D. Karte gefreut. Heinr. ist sehr interessiert. – Du hast Glück, daß Du gleich fort kamst. Es sind noch viele zurückgestellt auch Ascheif + Grandrath. Es ist verlorene Zeit.

Hanni ist recht nichtsnutzig. Mit der Karte lief sie herum + zeigte sie + gab dem Rudolf Küsschen.

Rudolf nun bleib gut + behalt mich lieb. Du bist nicht böse daß ich schließe. Es war gestern 12, als ich schlafen ging. Ich habe viel geschafft! Für Dich zu beten, vergeß ich nicht. Es ist abends mein letzter + morgens mein erster Gedanke! Du + Vater, Du weißt es ja!

Sonntag schreibe ich wieder.

Bis dahin wünsche ich Dir alles, alles Gute. Empfange herzlichsten Gruß + Kuß
von
Deiner treuen Mutter.