Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 24. November 1935
Iserlohn, den 24.XI.35
Meine liebe, gute Mutter!
Ich wünsche Dir einen guten, gesegneten Sonntag. Jetzt um 13.30 ist es mir allmählich auch etwas sonntäglich zu Mut. Bis jetzt haben wir fleißig gearbeitet. Wir sind um 6 Uhr aufgestanden. Haben bis 8.30 im Stall gearbeitet. Haben uns dann für die Stuben und Spindrevision vorbereitet.
Um 11 Uhr war Essen. Danach habe ich meinen 2ten Drillichanzug gewaschen. Nur der Nachmittag erinnert einen an den Sonntag. Ich gehe mir gleich ein Stück Bienenstich in der Kantine, besser gesagt, in der Apotheke holen. (Apotheke weil alles furchtbar teuer ist.) (Dose Schuhcreme 0,60 M) Seife 40, 50, 60, 70 Pf. usw.
Bin bis jetzt einmal beim Apell aufgefallen. An meinen Patronentaschen fehlte an der Innenseite eine Niete. Habe dafür 1 Stunde Pferdeputzen erhalten. 30-40 stehen täglich auf dem schwarzen Brett. Es ist Kommis! Gestern ging es ganz furchtbar rund. Müssen auch jetzt jeden Abend den Karabiner putzen.
Jetzt haben wir schon den 24.XI. Noch einen Monat und Weihnachten steht vor der Tür. Hoffentlich können wir uns dann sehen.
Der Hauptmann machte nämlich Bemerkungen über den Urlaub. Wenn ich nicht komme, besuchtst Du mich am 2. Feiertag! Oder nicht?
Lieber wäre mir natürlich, wenn ich nach Haus kommen könnte.
Ist dort auch die Butter so knapp? Unsere Portionen werden kleiner, unser Hunger größer! Wir sind gezwungen uns täglich etwas Eßbares zu kaufen. Wir kommen nicht mehr aus. Manchmal wird sogar das Brot knapp.
Wenn ich Dir dies schreibe, glaube nicht, es sei ein Brandbrief. Ich kann mir ja auch kaufen, hab ja Geld. Du brauchst mir wirklich nichts zu schicken. Ich komme gut aus.
Anbei ein Bild von der Vereidigung. Ich stehe mit der 7. Battr. vor dem Wirtschaftsgebäude. Bist Du auch noch gesund? Arbeite Dich nicht krank! Hast Du Dir schon einmal Mantelstoff angesehen? Sieh doch zu, daß Du Weihnachten einen neuen Mantel hast. Ich bin stolz, wenn ich eine feine Mutter habe.
Wenn wir vor Weihnachten nicht mehr raus kommen, schicke ich Dir Geld und Du kaufst Dir dann das Geschenk! Natürlich schreibe ich Dir das vor!
Ich hatte den Brief schon zugeklebt. Ich öffne wieder. Herr Werheit besuchte mich. Wir machten uns fertig zum Ausführen. Es war 14.00 rund. Der U.v.D. rief mich zum Unterhaltungsraum. Wer sitzt da. Ein Dellbrücker, Herr Werheit. Ich habe mich gefreut. Lange hatte Er und ich nicht Zeit. Ich habe ihm allerlei erzählt. Er sagte: ich sähe gut aus! Hat auch meine Glatze bewundert! Er wollte Heinr. Steimelz besuchen. Letzterer liegt aber im Lazarett. Was er hat ist mir unbekannt. Zum letzten Mal sah ich ihn Freitag, morgens im Stall. Ist dann zur Revierstunde abgetreten. Ist von dort sofort zum Lazarett gekommen. Da kann er sich einmal ausruhen, wenn auch nur für einige Tage. Schlimm wird es nicht sein, sonst wüßten seine Stubenkameraden Bescheid.
Meinen besten Dank für Dein schönes Paket. Die frischen, leckeren Äpfel bringen Abwechslung in der Kost.
Sind heute in die Stadt geführt worden. Sind auch eingekehrt. Konnte mich leider nicht ausschließen. Habe zuviel ausgegeben. (1,30 M) Soll nicht wieder vorkommen. Ich will doch sparen und außerdem tut Wurst, oder Speck besser. Übrigens habe ich nicht nur Bier getrunken. Bei dem Betrag war Kuchen u. Kaffee.
Nochmals herzl. Dank für die leckeren Äpfel.
Einen Gruß und einen festen Kuss
Dein Rudolf.
Am Mittwoch kommt der Reichskriegsminister der Herr Generaloberst von Blomberg zur Besichtigung nach hier! Dann geht es wieder rund!
Seit 3 Tagen ist es hier schlechtes Wetter! Nebel lagert im Tal. Eiskörner fallen. Die Luft grau in grau. Um 16 Uhr ist es dunkel. Novemberwetter! Wir waren aber auch verwöhnt. Jeden Tag lachte die Sonne.
Bin jetzt in der Nachrichtentruppe. Gehen häufig raus. Legen Feldfernsprecher an. Winken draußen. Gestern morgen sind wir ausgeritten. Durch die Vorstadtstraßen von Iserlohn gings im Schritt und Trab. Ully war müde nachher. Wäre auf dem Asphalt bald gefallen.
Jetzt werde ich noch dienstlich schreiben. Ich mußt Eintragungen vom Nachrichtendienst und aus dem Unterricht machen.
Mußt Du heute arbeiten? Ich hoffe, Du kannst Dich ruhen und pflegen. Gehs’t sicher zur Oma! Grüß Sie herzlich von mir. Ist Sie noch immer munter? Grüß alle von mir, sag Ihnen es ging mir gut. Ich muß tüchtig schaffen. Arbeit macht das Leben süß. Erst durch Verzicht und Mühe wird man ein ganzer Mann.
Jetzt geb ich Dir einen Kuss (nat. in Gedanken) und grüße Dich
und wünsch Dir alles, alles Gute
Dein großer, treuer Junge.