Anna Schmitz an Sohn Rudolf, 28. November 1935
Köln-Dellbrück, 28.11.35.
Mein bester, treuer Junge!
Nun will ich mir aber so viel Zeit nehmen, Dir wieder zu schreiben. Du hast sicher schon gewartet. Aber in dieser Woche hast Du ja schon einen Gruß hier aus dem Hause bekommen, nicht wahr? – Na, mein Kind, wie geht es Dir? Ich hoffe, daß Ihr bei diesem miserablen Wetter nicht viel draußen seid. Nach einigen dunklen Novembertagen haben wir jetzt Regen. Bis vor kurzem war es auch hier noch sehr schön. Also, was machst Du? Der hohe Besuch ist nun wohl überstanden, und Ihr rüstet nun wohl zum Barbaratag. Ja Rudolf, sei nicht traurig, ich werde wohl nicht kommen können. Wir haben noch immer sehr viel Arbeit. Auch ist das Wetter ja nicht einladend, d. h. bis dahin könnte es ja anders werden. Ich will den Besuch lieber aufsparen. Ich hoffe ja nun doch, daß Du Weihnachten kommst. Du wirst wohl nicht gerade Stallwache haben. Hoffentlich hast Du Glück, trotz der vielen ungünstigen Apelle. Hoffen wir das Beste! – Für Deine lieben Wünsche zum Sonntag danke ich Dir schön. Bis jetzt mußte auch ich jeden Sonntag arbeiten. Nichts zu ändern. Hattest Du den Brief in dem Apfelkarton gefunden? H. Wehrheit war selbst hier + hat mir erzählt. Du sähst gut aus, wärest dicker geworden. Dort wäre es ganz schön. Ja Kind, ein Monat ist schon herum. Ich bin froh mit Dir. Jetzt an den langen Abenden fehlst Du mir doch sehr. Immer bin ich allein. Agnes Böhner kommt schon mal, Fr. Plantz war auch mal hier. Richard wird wohl bald zurück kommen. Er hat noch keinerlei Nachricht! War auch ernstlich krank da oben. –
Auch hier bei uns ist Butter knapp. Ich bekomme pro Woche ¼ Pfund. Es soll aber wieder besser werden. Auch Fett + Oel
ist rar. Wenn ich nur noch etwas bekomme zum Backen für Weihnachten. Freust Du Dich auf das schöne Fest? Sonntag fängt der Advent an, die schöne, stille Zeit. Im vorigen Jahr warst Du auch fort. Ich bin trotz der vielen Arbeit froh + zufrieden + freue mich sehr aufs Christkind! –
Ja Kind, heute, am 30. kann ich erst weiter schreiben. Ich hatte bis heute 20 Dtzd. ganz fertig zu machen. Es tut mir leid, nun bekommst Du sicher morgen den Brief nicht. Und wartest sicher darauf. Sobald die Arbeit nachläßt, werde ich fleißiger schreiben. –
Also am Dienst kommt Richard zurück, er bringt Dir Foto’s von Stockholm mit! Fr. Plantz war hier, hat Krawatten abgeschnitten. Bis Montag habe ich 27 Dtzd. halbfertig, da muß ich auch morgen arbeiten.
Also Rudolf, sei nicht böse über das, was ich jetzt schreibe. Ich habe bei Steimels Schott’s Meßbücher gesehen, nicht so große, wie ich ihn haben möchte; aber sie können es besorgen. Willst Du das Buch nicht da bestellen? Ich gebe das Fehlende dazu. Steimels sind so arg bet[..], immer kommen sie + erzählen + fragen. Man könnte es ihnen zu verdienen geben. So ein großes Teil. Ich glaube, sie würden sich freuen. Du könntest eine Karte hinschreiben, daß sie Dir das Buch besorgten, Du holtest es dann ab. Dort in Iserlohn bekommst Du vielleicht auch nicht die neueste Ausgabe. Oder hattest Du etwas Anderes vor? Laß es mich bitte wissen, dann würde ich mir vielleicht selbst den Schott schenken. Wenn ich es auch weiß, so ist meine Freude nicht geringer. –
Ich habe mir Tannengrün mitgebracht, morgen werde ich im Strauß das erste Kerzchen brennen, und für mich allein die Adventslieder singen, die wir so oft zusammen gesungen haben. Möge der liebe Gott uns im nächsten Jahr die Zeit in Gesundheit zusammen erleben lassen. Es ist doch nichts so allein. Wenn wir nur gesund bleiben. Ich denke
jetzt auch viel an Vater, so um Weihnachten. Was meinst Du, soll ich zu Weihnachten auch schreiben? Du schreibst ihm doch einen lieben Brief? Soll ich es dabei lassen?
Also von Oma soll ich herzlich grüßen! Sie ist noch die Alte, voll Sorge + immer an der Arbeit. Hanni drollig + verwöhnt. Joh. hat ihre Zeit bald um, am 10. Dez. Hoffentlich geht alles gut! Heinrich hat sein Schiff fertig, es ist schön! Er ist stolz darauf. Lehrer Eich hat das Segel gemacht, es gefiel ihm auch gut! Bei Tante Finchen war eine böse Woche. Vorletzten Sonntag war ein Schweinchen eingegangen, wieder Schaden! Am Freitag voriger Woche hatte Onkel Georg die Kündigung bekommen, und am Samstag, höre + staune, haben sie O. G. das neue Rad gestohlen mit einem Karton Fett + Fleisch für 11. Mark. Da kannst Du Dir die Stimmung vorstellen! In Mülheim bei seinem Bruder Hans hatte er das Rad vor der Türe stehen lassen, ohne abzuschließen. Es war ja auch leichtsinnig! Sie waren fassungslos. Wir haben sie getröstet, aber es war nicht zu ändern! Heute hat T. Finchen bei Bartz geputzt. Hier im Hause ist alles beim Alten. Maria kommt abends um 9 oder 10 aus dem Geschäft nach Haus. Am Mittwoch wird eröffnet! Bin gespannt, wie lange es dauert! Sie stöhnt sehr. Kannst Dir ja denken! Paul v. T. Mal ist auch verheiratet! Sonst ist in der Familie alles wie immer! –
In Köln ist nun für Weihnachten ausgestellt. Viele Krippen in diesem Jahr! Es ist auch eine schöne Zeit! Schmitz Peter im Rodenbachs Hof ist nach Hause gekommen aus der Fremdenlegion. Heinr. war einen Abend da. Seine Mutter hat ihn nicht erkannt! Er hatte allerlei erzählt. Er wollte hier lieber trocken Brot essen, als dahin zurück! –
Heute habe ich mir Mantelstoff gekauft. 12,50 den
Meter + Futter 5,20 d. Meter, zusammen 53- Mark. Aber nach Weihnachten wird er erst gemacht. Ist mir auch recht. Vor Weihnachten kann ich es nicht. Das Fest kostet allerlei Geld. Jeder will etwas haben. Was wünscht sich denn mein Junge? Schreibe mal einen Wunschzettel! Das Christkind muß es bald wissen! – Gefällt es Dir bei der Nachrichtentruppe? Was macht Dein Ully?
Nun Kind, jetzt weiß ich bald nichts mehr!
Ich grüße Dich vielmals und sende Dir einen lieben Sonntagsgruß
Dein Mütterlein!