Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 1. Januar 1936
Iserlohn, den 1.I.1936
Meine liebe, gute Mutti!
Schon geht der erste Tag des neuen Jahres zu Ende. Wie schnell verfliegen nur die Tage. Es ist aber auch gut so. Je schneller desto besser. Dann bin ich doch wieder eher zu Hause bei Dir. Hoffentlich bringt uns das neue Jahr viel Freude. Wir wollen beten und arbeiten, dann wird uns der liebe Gott nicht vergessen. Dir insbesondere wünsche ich Gesundheit, Mut, Lebensfreude! Der liebe Gott wird es Dir schenken. Er verläßt seine Kinder nicht. Hoffentlich bekomme ich eine nette Stelle. Ich will fleißig arbeiten um Dir, meine Beste, zu helfen und um höher zu kommen, damit wir beide uns ein gemütliches Heim einrichten. Ich bin nun einmal ein Spießer.
Ich habe Richard ein Blaues Buch gekauft. „Die deutsche Wohnung der Gegenwart“ ist der Titel. Er wird es Dir sicher zeigen. Hoffe, daß es ihm gefällt. Mir ausgezeichnet. Würde uns so manches daraus wünschen. Was nicht ist wird noch. Hast Du Sylvester gefeiert? Denkst Du auch noch an mich? Betest Du auch? Ich fühle, du tust es. Ich danke Dir Mutter!
Jetzt muß ich beichten, wäre gestern bald voll geworden. Heute bin ich verkatert. Jetzt am Abend aber wieder in
Ordnung. Habe zuviel getrunken. Der Spieß war den ganzen Abend bei uns. War ganz nett. Haben im Kameradenkreis lustigen Abschied vom alten Jahr genommen. 60 l Punsch war uns gestellt worden. Nachher dann noch all die Runden Bier und Schnaps. Wer niemals einen Rausch gehabt das ist kein rechter Mann. Also bitte, verzeih mir. Sobald wird es nicht mehr vorkommen. Jetzt muß ich Schluß machen. Du schreibst doch bald mal? Wie ist es mit der Arbeit? Wie ist es mit Johanna? Ist Onkel Georg noch krank?
Viele herzliche Grüße
einen kräftigen Neujahrskuss
Dein Rudolf.
Übrigens trotz feucht fröhlicher Stimmung. Wir haben das neue Jahr mit dem Lied „großer Gott wir loben Dich“ begrüßt. War das recht? Ich glaube auch. Hätte sowas kaum für möglich gehalten. Sonntag schreibe ich an die Apothekerschaft.
Viele Neujahrsgrüße an Fam. Bartz.