Anna Schmitz an Sohn Rudolf, 4. Januar 1936
Köln-Dellbrück, 4.Januar 36.
Mein lieber Rudolf!
Ich will Dir heute Abend noch schreiben, und Dir danken für Deinen lieben Brief + Deine lb. Karte mit den Neujahrswünschen. Ich freute mich sehr darüber. Inzwischen wirst Du ja auch meinen Brief erhalten haben, und daraus ersehen haben, wie ich, bezw. wir hier das neue Jahr begonnen haben. Also auch ihr dort habt tüchtig gefeiert! Ja Kind, mit neuem Lebensmut + neuer Lebensfreude wollen wir unsern Weg weitergehen. Wir haben ja ein festes + herrliches Ziel! – Ich bin einmal neugierig, welche Antwort Du vom Apothekerverband erhältst. Ich wünsche Dir Glück zu Deinem Beginnen! Daß ich Dich nicht vergesse, daß weißt Du doch. Ich hatte gestern + heute regelrechtes Heimweh nach Dir. Ja, die Zeit verfliegt. H. Steimels war gestern hier zum Abschiednehmen; er wird Dir ja Grüße bestellt haben + die H. ausgekündigt. Ich hätte Dir gerne noch Äpfel mitgeschickt, aber H. St. hatte keinen Platz im Koffer. Hast Du von Weihnachten alles aufgezehrt? Nun kommen auch die Neujahrsurlauber langsam wieder an, was? Ja, alles vergeht!
Da bin ich aber gespannt, ob Richard das Buch gefällt. Ich weiß nicht recht. Er schwärmt ja für Inselbücher! Wie mag es ihm in seiner neuen Stellung gefallen? – Nun ist Heinr. gestern ausgezogen. Er ist auch nicht wohl, scheinbar auch etwas Grippe, sieht sehr schlecht aus. Joh. ist noch hier; wie lange noch? Sie hatte als Abschluß gestern Mittag noch eine Attacke mit der Oma wegen einer Kleinigkeit, (Heinr. war mittendrin) so daß ich einschreiten mußte. Ein netter Abschied. Ich habe seit gestern einen Schlafkameraden, und zwar: „Mübchen“. Sie ist so lieb. Bis Joh. alles überstanden hat, soll sie hier schlafen. Oma hat keinen Platz. Ich hab es auch gern, nur abends habe ich dann Arbeit. Es wird nur dumm, wenn ich noch eilige Arbeit bekomme. Na, es wird schon werden. Mit Fr. Bartz stimmt es auch noch garnicht. Sie sieht sehr elend aus, steht nur stundenweise auf.
Maria hat sie Neujahr sehr geärgert. Sie war mit dem jungen Meinen bis ½ 3 Uhr raus, kam betrunken nach Haus. Da kannst Du Dir denken. –
Sonntag vormittag. Ich kann heute früh erst weiter schreiben. Hanni hatte eine schlechte Nacht, ist nicht wohl, hat sehr den Husten. Um 12 Uhr hat sie an Dich geschrieben. Sie sah den Brief liegen. Um 5 ½ Uhr mußte ich aufstehen. Der kleine Stropp. – Heute ist wunderbares Wetter. Ich muß etwas nähen, gehe vielleicht mal in die Stadt. Habt ihr auch Stadturlaub. Wohl kaum, nach dem Weihnachtsurlaub. Ich soll viele Grüße bestellen von Allen. Berta ist aus Hamburg zurück. Sie ist gegen den Willen der Eltern gefahren. Ob sie etwas erreicht hat, weiß ich nicht. Ich sah sie noch nicht. Frau Kampmann hat auch geschrieben, ob ich Anfang März käme. Morgen frage ich Frl. Maus. Der alte H. Kampmann ist auch gestorben, auch Herr Fritz Neumann in Eschweiler. Ja arm + reich, alles muß den selben Weg gehen. Nun Gott befohlen, mein Junge. Sei froh + guten Mutes, ich bin es auch. Ich schmökere des Abends in den neuen Helfern. Frl. Marga wollte sie geliehen haben, ich habe gelogen + gesagt, Du hättest sie mit. Das sehe ich nicht ein.
Also nochmals alles Gute. Viele herzliche Grüße + einen dicken Kuß
D. Mutter.