Anna Schmitz an Sohn Rudolf, 3. Januar 1937
Köln – Dellbrück, 3. Januar 1937
Mein lieber Rudolf!
Du wunderst Dich wohl darüber, dass ich Dir den Neujahrsgruß so spät sende. Ich wollte aber Ruhe dazu haben, und bis jetzt hatte ich sie noch nicht! Vor den Tagen gab es wieder ganz nett Arbeit, und Sylvester + am Neujahrstage hatte ich viel Arbeit durch die Verlobung von Frl. K. Heute nun dachte ich die rechte Ruhe zu haben, da kommt am Nachmittag Tante Stina und fragt, ob ich mit ihr nach Mülheim führe zum Krankenhaus. Finchen von T. Marie sei so sehr schlecht. Nun bin ich mitgefahren, als wir ankamen, bekam die Kranke gerade die Sterbesakramente. Ich glaube, es geht zu Ende mit ihr. Das hat mich nun ziemlich aufgeregt. –
Nun mein Kind zu Dir. Ich wünsche Dir nur Gutes im kommenden Jahr! Viel Worte brauche ich nicht zu machen. Du weißt ja, Mutter ist nicht nur an besonderen Tagen, sondern jeden Tag in treuem Gedenken bei Dir, und mein tägliches Gebet ist um Segen für mein Kind! Alles stelle ich unserm Herrn und Gott anheim. Das Beste, was ich tun kann, dass ich Dich seinem mächtigen Schutz empfehle. Dann weiß ich Dich geborgen an Leib + Seele!
Deinen Sylvestergruß erhielt ich. Heinrich sagte mir, er hätte einen Brief für mich da, in seinen Vorbereitungen vergaß er ihn mir zu bringen! Morgen geht er weg. Er hat sich sehr über Deinen Brief gefreut. Auch bei Schlössers hat Deine
Karte Freude bereitet! Onkel Arnold hat mir alles genau von Deiner Abfahrt erzählt. Du warst ja schön früh dort und konntest noch ein gutes Weilchen schlafen. Morgen kommen ja wohl die anderen Kameraden zurück und dann fängt der regelrechte Dienst wohl wieder an. Bist Du wieder eingelebt? Bei mir dauert es immer ein paar Tage. Es ist doch etwas Anderes, wenn Du hier bist. Ich fühlte mich dann viel geborgener. –
Heute, am 4. komme ich erst wieder zum Schreiben. Heinrich ist fort. Oma ist der Abschied schwer geworden. Auch Hanni trauert! Na, sie werden sich schon schicken müssen. – Bei Rohde’s auf der Verlobung war es sehr schön. Ich erzähle Dir noch davon. Heute habe ich auch Deinen lb. Brief vom 30. XII. bekommen. Hab’ vielen Dank für die guten Wünsche! Ja, Du bist mein Bester!!! Hast Du auch an Vater gedacht? Hoffentlich froh + gesund, wie wir. Ich bin etwas erkältet, sonst ist alles im Lot! Heinrich Steimels hat jetzt an 2 Tagen hintereinander Magenkrampf gehabt. Es sieht schlecht aus! Heute wurde Herr Steute beerdigt! Friseur Fleck ist auch gestorben. Mein Kind, ich muß schließen, sonst bleibt der Brief nochmals liegen. Ich schreibe bald noch mal. Viele viele liebe Grüße und einen lieben Kuß sendet Dir in Treue
Deine Mutter!