Anna Schmitz an Sohn Rudolf, 9. Januar 1937
Köln – Dellbrück, 9. Jan. 1937
Mein lieber Rudolf!
Herzlich danke ich für Deinen lieben Brief vom 6.1.37. Bin froh, dass Du wohlauf bist. Du bist aber ein Held, dass Du so feste Neujahr gefeiert hast. Ja, nun werde aber auch wieder solide, denn allzu gerne höre ich so etwas nicht! Und gut tut es Deinem Körper bestimmt auch nicht! Aber Schluß davon! Also, den Opernspielplan. Da kann ich Dir nur immer jeweils den Wochenplan schicken. Ich glaube nicht, dass es etwas Anderes gibt. Ich erkundige mich mal und dann gebe ich Dir Nachricht, oder ich lege jedes Mal für die Woche den Plan meinem Briefe bei. Hast Du noch nichts gehört von Deinem Kursus? Ich würde doch einmal beim Herrn Hauptmann anfragen, allein, um zu hören, was er sagt; und damit er sieht, Du denkst an das Versprochene! Aber wirst Du wohl dort bleiben? Nun ist wohl alles wieder in alten Geleisen? – Wie hast Du es nun mit der Apothekerschaft? Überleg es Dir gut. Wie ich Dir sagte, ich bin bereit, Dir weiter zu helfen, soviel nur in meinen Kräften steht! Ich habe mit Tante Stina die Sache einmal besprochen, sie meint auch, Du solltest den Beruf wählen. Ich erklärte ihr die ganze Laufbahn. Wenn Du nun noch einmal einige Tage in Urlaub kommst, und so Gott will, wird das ja Ostern sein, mußt Du doch unbedingt einmal zu H. Ap. Koch gehen. Dort kannst Du Dir dann ja über alles Klarheit holen, denn er weiß ja auch unsere Verhältnisse. Es muß nun von Deiner Seite
Mit Ernst an die Sache herangegangen werden, entweder diese, oder etwas Anderes. >Wir haben ja darüber gesprochen. Wie Du Dein Leben gestaltest, es liegt nun bei Dir. Je nachdem wird Deine Zukunft! Ich möchte ja, das weißt Du, dass Du einmal besser im Leben stehst, als ich. Doch, ich bin auch zufrieden. Ich als Frau hatte ja auch nicht die Möglichkeiten und mir fehlte ja auch die Vorbildung wie Du sie hast! Aber, Junge, die Zukunft ins Auge gefasst, und vorwärts mit Gottes Hilfe und unserer Arbeit! „Glück auf“, mein Junge! – Nun bekommst Du heute den Brief doch nicht mehr, ich meine Sonntag. Ich musste gestern Anni verwahren, + Oma die Tine. Joh. musste ihre Unterstützung haben und dann bei Zimmermanns arbeiten. Den ganzen Tag hatte ich sie hier, von morgens 10 bis abends 7. Da bekommt man nicht soviel getan, als wenn man allein ist, trotzdem das Kind lieb ist! Heinr. wird Dir ja auch schon geschrieben haben. Es gefällt ihm sehr gut in Höxter! – Bei mir ist alles beim Alten. Allzuviel Arbeit gibt es nicht! Es geht! Bei Rohdes war die Verlobungsfeier sehr schön. Ich war abends um 11 Uhr schon zu Haus zu Neujahr. Sylvester war ich um 8 Uhr schon in der Kirche des Abends. Ich hatte nicht allzu viel Arbeit, habe aber 11 Mark bekommen für den Tag, ein Paketchen Kuchen und eine gute Flasche Wein, die sollte ich mit Dir zusammen trinken, sagte Herr Rohde. Wie immer waren R. sehr nett. Es sind feine Leute! Auch die Feier war schön, fröhlich, doch nicht ausgelassen. Frl. K. eine schöne Braut, sehr vorteilhaft angezogen, morgens offizieller Empfang, sie im großen Gesellschaftskleid (selbst genäht), er im Cutaway. Es gefällt mir dort immer am besten! Vornehm, nicht zu üppig. Sie hatten schöne Geschenke.
Ich war sehr befriedigt! Nun will ich bald mal nach Eschweiler, wenn ich etwas mehr verdiene. Mal sehen, wie es Fr. K. geht! Berta geht vielleicht mit! Mit Oma will ich jetzt mal eine Krippenfahrt durch Köln machen. Sie freut sich darauf! Ich auch! Elli hat einen Prospekt für eine 14tägige Italienreise von einer Reisegesellschaft für 108 Mark + 2 Mark für bes. Ausgaben, Oberitalien bis zum Gardasee. Nicht bis Rom. Sie will hin mit Frl. Odenthal, einer Mitarbeiterin. Sehr billig, nicht wahr? Finchen von Tante Marie geht es etwas besser. Sie wollte unbedingt aus dem Hospital nach Hause. Sonst in der Familie nichts Neues! Hier ist es kalt geworden, nach einer Woche voll Regen, Sturm + Gewitter, beängstigend! Da wird die Grippe hoffentlich bald aufhören. Meine Erkältung ist Gott sei Dank fort. Ich hatte sie mir geholt auf dem Wege zu Josef + nachher nach Hause. Nun muß ich anfangen wieder allerlei anzuschaffen. Zuerst ein Werktagskleid für mich! Auch an Dich muß ich nun schon denken, und allerlei Kleinigkeiten kaufen, die Du benötigst. Im Laufe der nächsten Woche werde ich Dir auch Rasierkreme + Seife schicken und die Zeitungen von O. Arnold. Hast Du sonst noch etwas? Hast Du Dich durch die Weihnachtssüßigkeiten hindurchgegessen? Alles auf? Von Plunz habe ich noch nichts gehört? Ob sie Weihnachten nicht befriedigt waren? Mir auch egal! Hauptsache ist, daß Du mit Deinem Urlaub zufrieden warst! Ich freue mich darüber. Ich bestaune mir oft noch den schönen Teller von Dir. Du hattest wieder ins Rechte getroffen! Baum + Krippe stehen noch auf. Immer + immer muß ich unsere Krippe ansehen. Sie ist doch immer noch schön. So Gott will machst Du nächsten Weihnachten allerlei Kleinigkeiten noch daran! – Ich nähe jetzt wieder Kravatten, es sind keine Schals mehr da! Ich habe mir einen neuen Bohnerbesen gekauft, es ist doch leichter das Abreiben damit! Ja, so hat man immer
allerlei nötig. Nun Schluß. Ich weiß nichts mehr! Weiter gute Gesundheit + frohen Mut! Viele treue Grüße und Küsse sendet Dir in Liebe
Deine Mutter.
Sonntagmorgen!
Mein Junge, heute ist das Fest der hlg. Familie. Gebe Gott, daß auch in unserer Familie der rechte Friede einkehrt, zwischen Vater, Dir + mir! Denkst Du auch an das Gebet? Vergiß es nicht! – Vater hat noch nichts geschickt, hoffentlich kommt morgen etwas an. Nun aber wirklich Schluß.
Noch einen lieben Gruß
Mutter