Anna Schmitz an Sohn Rudolf, 12. Mai 1937
Köln –Dellbrück, 12. Mai 37.
Mein lieber Junge!
Vorerst wünsche ich Dir ein frohes Pfingstfest! Möge etwas von dem Geist, der das Gute schafft, auch bei Dir Einkehr halten. Mit meinem Gebet + mit meinem Herzen bin ich bei Dir. Du mein Liebstes + Einziges! Bleibe mir gesund an Leib + Seele! Du weißt ja, dass ich Dich gerne froh + zufrieden habe, und Du schreibst mir, dass Du das bist. Dein lieber Brief hat mich sehr erfreut! Jede Nachricht wird mit gleichbleibendem Interesse gelesen + durchdacht! Nun ist der Monat Mai schon halb herum! Ist der Umzug gut verlaufen? Hat alles geklappt? Gefällt es Dir in Deinem neuen Wohnort? Na, für lange ist er es ja nicht mehr! Dann bist Du wieder in der Heimat, bei Deinem alten Mütterlein, daß sich sehr darauf freut! Hier wird sich bis dahin vieles geändert haben. Seit Montag ist der Herr Bräutigam eben da. Etwas ruhiger wie Stropp, sonst dasselbe in Grün. Gleich + Gleich u.s.w. Ich ärgere mich mal wieder. Aber nicht mehr lange. Heute ist das Haus verkauft worden. Morgen soll es notariell gemacht werden. Ich soll wohnen bleiben können. Mal gespannt! Das wäre mir am liebsten! Dir doch auch? Der neue Eigentümer hat ein Kind, 6 Jahre alt! Im August müssen Bartz schon weg. Ob Alles so klappt? – Von Stropp ist schon wieder eine
Schwester von 25 Jahren gestorben. Dann von Herr Bartz Schwester in Kromberg ein Sohn von 27 Jahren. Beide heute beerdigt. Hier starb der kleine Lelbach, 14 Jahre alt! Leni Krein heiratete gestern. Ich bin Pfingsten zur Verlobung eingeladen, Montags kommt Frau Plunz. Am 1. Mai war ich mit T. Stina + O. Ar. In Paffrath. Sonntag musste ich den ganzen Tag arbeiten! Jetzt wird es etwas ruhiger. Vater hat das Geld noch nicht geschickt! Das ist immer Unruhe. Ich warte von Tag zu Tag! Wenn man auch da mal etwas mehr Verbindung hätte und man etwas Bescheid wüsste! Vater wird nun bald 62 Jahre alt. Soll da nun nie mal eine Änderung kommen, könnte man nicht freundschaftlich schreiben + verkehren. Ich wünsche Vater so sehr alles Gute, möchte ihm doch auch manches Mal einen schönen Tag, eine schöne Stunde, eine Freude bereiten. Wäre es nicht schön, wenn er ab + zu mal unser Gast wäre! Wie wollten wir es ihm gemütlich machen! Wie Gott will! Wir müssen + wollen stille halten. –
Bei den Verwandten ist alles gesund! Tante Anne war krank, ist aber etwas besser daran! Sie war ganz eigenartig, sprach gar nicht! Hanni ist sehr erkältet. Sie ist sehr anfällig! Nun bin ich neugierig, ob ich früh genug Deine neue Adresse erfahre, um Dir noch ein Paket schicken zu können. Sonst bekommst Du es nach Pfingsten. Meinen Urlaub nehme ich Mitte Juli. 14 Tage. Ich will ja 8 Tage nach Hönningen. Mal sehen. Man kann so weit im Voraus nichts bestimmen.
Dann kommt es bestimmt anders! Am Sonntag war Frau Plunz hier. Sie erwähnte nichts, daß Du Richard nicht aufgesucht hattest! Strunzte mit Richard in Leipzig. Heute hatte England einen großen Tag. Wir haben ja einen großen Verlust, unsere „L. J. Hindenburg“. Eine Schande. Und die armen, armen Menschen. Ein Funker war aus Dellbrück!
Heute am 14. Fortsetzung. Also eben kam Dein lieber, froher Brief aus Soest an. Wie ich mich darüber freue. Also es gefällt Dir? Fein! Alles Gute für die Zeit Deines Dortseins. – Denk Dir Vater hat noch nichts geschickt! Es ist mir so peinlich für Bartz. Was soll ich denken vor Pfingsten. Ob etwas passiert ist. Die Ungewissheit macht mich ganz nervös. Es ist die letzte Miete, die Bartz bekommen. Nun muß ich ja zum 1. 6. schon die neue Miete sorgen. Ich kann die Leute doch nicht warten lassen. Sie werden sich ja bald hier vorstellen. Mal gespannt, ob ich das eine Zimmer noch hinzu nehmen muß! Vorläufig hätte ich ja so noch genug! Es wäre dumm, jetzt wo ich noch die Maschine habe. Ja, es kommt bestimmt immer anders, als man denkt. – Tante Anna hat einen Schlaganfall bekommen. Sie liegt ganz teilnahmslos. Ich war heute früh dort. Gestern Abend hat sie noch die hlg. Sakramente bekommen. Menschlicher Voraussicht nach geht auch ein sorgenvolles Leben zu Ende, ein Leben von tiefer Religiosität durchdrungen! Ja, alle Sorgen hören mit einem Schlage auf. Denke einmal an sie! –
Leider kann ich Dir nun vor Pfingsten
keinen Kuchen schicken. Ich habe heute dem Hoffmann 20 Mk gegeben. Habe noch 1,50 bis nächste Woche. Es würde ja jetzt auch schon zu spät. Hoffentlich hast Du noch etwas Geld in der Tasche! Du denkst auch, immer hapert es bei Mutter. Ja, Kind, das ist nun so.. Ich wollte auch, es wäre anders! Aber wenn man gesund ist, das ist auch etwas wert. Im Übrigen wird der liebe Gott mitsorgen. Ich bin ja so froh, wenn Du mal wieder hier bist, mein Kind. Also ich sende Dir heute nur viele liebe Grüße + einen Festkuß. Bete einmal an den Feiertagen für Vater + Mutter, dass der liebe Gott uns hilft! Bis bald, ich schreibe bald wieder. „Glück auf“ mein Junge, in aller Liebe
Deine Mutter.