Anna Schmitz an Sohn Rudolf, 19. Mai 1937
Köln – Dellbrück, 19. 5. 37.
Mein lieber, guter Junge!
Nun will ich Dir zuerst über den Verlauf der Pfingsttage berichten. Am ersten Feiertag war ich bei Bartz. Ich war zwar als Gast eingeladen, aber es kam doch darauf hinaus, dass ich kochen sollte. Na, des Mittags waren außer Fam. Bartz nur Frl. Feldsohn und ich da, abends noch Kowalsky’s, also nicht viel Personen. Frl. Marga ging mir zur Hand. Abends gabs kaltes Büffet. Ziemlich einfach + ruhig. Ich hatte eine Vase gekauft, mit Blumen 7. Mk. Frl. Feldsohn auch eine Vase, Agnes Perger eine kleine Wandvase + Kowalsky’s ein Gedeck (Dessertteller, Untertasse + Tasse) das waren alle Geschenke. Einige Blumen, 4 Töpfe + ein paar Kleinigkeiten. Nicht berühmt also. Der Bräutigam ein kleines Kerlchen, kleiner als Du, scheint aber zu wissen, was er will, Maria wird sich sehr umstellen müssen. Er ist berechnend! – Am 2ten Tage war ich mit Fr. Plunz + Elli wandern, + zwar über Gernau + Lerbach nach Kaltenbroich, wo wir in einem Bauernhaus, (es gab da keine Wirtschaft oder Kaffee), gut und durstig Kaffee tranken, Schwarzbrot, Eier, Schinken + Käse + Butter. Es war alles gut, wir wollen mal mit Oma hin. Auf dem Rückweg der sehr schön war, über Brunnlende nach Gladbach, sind wir im Ratskeller eingekehrt und haben ein Hümpchen Maibowle getrunken, Unkosten für den Tag von morgens 10 – bis abends 8 Uhr pro Person 1,55. Dabei gut + reichlich gegessen. – Also das Haus ist verkauft für 12 000 Mark. Am 1. August müssen Bartz weg sein. Wir können wohnen bleiben, müssen das eine Zimmer dazu nehmen + sollen 45 Mk geben. Vorläufig ist es mir recht! Mal sehen, wie wir mit dem neuen Eigentümer auskommen. Billiger bekommen wir es anderswo auch nicht und wir haben dann eine schöne Wohnung.
Nun ist es ja gut, wenn Du dann auch bald nach Hause kommst! Ich bin so froh darüber. Hoffentlich klappt alles. – Für Deinen lieben Brief vom 15. 5. danke ich Dir, auch für Deine lieben + guten Wünsche. Vater hat am 15. auch den Betrag geschickt. Ich habe dem lieben Gott gedankt. Ich lasse manchmal eine Messe für den Vater + für Dich lesen. Vielleicht, wenn es ihm recht ist, besuchst Du ihn im Herbst doch einmal! Mal sehen. Daß es Dir dort so gut gefällt. Freut mich sehr. Bist Du Pfingsten auch ausgewesen, hast Dir Soest angesehen? Gibt es dort auch Kino’s? Kaufe Dir einige schöne Karten. – Mit Tante Anna ist noch keine Änderung eingetreten. Sie liegt ruhig, spricht gar nicht, hört wohl auch nicht, die Augen sind ganz klar, sie sieht alles, ganz merkwürdiger Zustand. Kann nur Flüssigkeiten zu sich nehmen.. Ja, das Herz ist müde. Was ist der Mensch! Die armen Mädchen sind zu bedauern! Das war ja immer ihre größte Sorge! Man muß alles unserem Herrgott überlassen! Gut, dass man nicht in die Zukunft sieht! Sonst sind Alle noch gesund hier in der Familie! - Josef Baumhof hat sich auch verlobt mit der Tochter eines Professor Frank aus Lindenthal. –
Ob ich Dich dort einmal besuche weiß ich noch nicht. Man kann ja mal überlegen. Vorläufig muß ich mal sparen. Erst mal den Stoff bezahlen. Bald habe ich es geschafft! Jetzt verdiene ich ja auch weniger. Diese Woche 19 Mark! Das reicht nicht weit! Na, kommt Zeit, kommt Rat! Bleibe Du mir gesund! Wann geht es denn zur Senne oder nach Wahn? Nun mach ich Schluß, will schlafen gehen. Einen lieben, frohen Gruß sende ich Dir auch einen treuen Kuß für Dich mein Bester,
Deine Mutter!