Anna Schmitz an Sohn Rudolf, 29. Mai 1937
Köln – Dellbrück, 29. Mai 1937
Mein treuer Junge!
Ehe ich nun die Wohnung für den Sonntag fertig mache, will ich Dir einen frohen Sonntagsgruß senden, damit Du ihn auch noch rechtzeitig bekommst! Ich danke zuerst recht schön für Dein Schreiben vom 23. Mai. Ja Kind, so viel freie Zeit, als Du denkst, habe ich doch nicht, Du weißt ja, ich hatte mal Wäsche, fahre denn zum Geschäft, für ein Pöstchen Schals, aber ich habe wenigstens Sonntagsruhe, und darüber freue ich mich sehr. Letzten Sonntag war Dreifaltigkeitssonntag, da war ich nirgends hin, bei Oma im Garten, nur des Morgens hier bei Kurtz im Garten mit Hanni. Donnerstag(Fronleichnam habe ich die Prozession mitgemacht, die einen schönen Weg machte, (Thurnerstraße, Gemarkenstraße links, Prombachstraße, Gieratherstraße, Hardthofstraße, Thurner Kamp, Hauptstraße zur Kirche. Sehr starke Beteiligung. Wir hatten hier eine eucharistische Woche, schöne Vorträge.
Lieber Rudolf, bist Du böse, daß ich Dir noch kein Paket schicken kann? Ich habe jetzt die Maschine und den Rest vom Stoff. Das Verdienst ist klein. Gedulde Dich bitte noch etwas! Frau Steimels hat im Namen Heinrichs mir eine Tafel Schokolade gegeben, die soll ich Dir beilegen. Ich werde das tun. Du kannst Dich ja gelegentlich schon mal bedanken! Herrn Kirste würde ich von Soest aus mal schreiben, eine schöne Karte. Wahn, ich meine, das sähe so nach Betteln aus, es ist zu nahe. Drum lieber aus der Senne. Ich freue mich ja auch zu sehr aufs Zusammensein. Bleibe mir gesund, lege Dich nicht zu viel in die Sonne. Habt ihr sehr unter der Hitze zu leiden? Mit euren warmen Anzügen! Das Wetter ist ja jetzt zu schön! Morgen werde ich auch draußen in der Sonne
Liegen. Letzte Nacht habe ich bei Tante Anna gewacht. Sie ist sehr schwach. Jeden Tag erwartet man das Ende. Sie ist wie ein Kind. Spricht gar nicht, kukt nur immer. Ein trauriger Zustand. – Soeben schickt Vater schon die Junirate. Ob er in Ferien geht? Wahrscheinlich! –
Also Kurtz werden schon Mitte Juli weg sein. Frl. Marga zieht schon in 14 Tagen nach Köln, 2 Zi Räume, Küche + Wohnschlafzimmer (leer, in der Marzellenstraße pro Monat für 37 Mark. Das wird ihr doch auf die Dauer zu viel. Überhaupt die leben jetzt. Haben ja Geld. Haben von mir die letzte Miete aber auf Heller + Pfennig genommen. Hätten mir auch 10 Mk schenken können. Bin froh, dass ich jetzt das Geld schon habe, der neue Eigentümer kommt sicher pünktlich! Sind ganz nette Leute, etwas jünger als ich, sind Protestanten. Werde mich ganz zurückhalten. Freundlich, Schluß. Hoffentlich haben wir Glück, dass wir noch lange hierbleiben können. Ich denke auch, den Preis müssen wir überall zahlen. Wie wollen wir uns denn einrichten? Wie denkst Du? Soll ich warten, bis Du kommst? Das eine Zimmer müsste ja gemacht werden. Ich kann es aber jetzt nicht! Ich habe Gottvertrauen, dass er uns weiterhilft! Ja, mein Kind, der Mai ist nun auch schon herum, immer näher rückt der Oktober. Gebe Gott, dass Du mir gesund zurückkommst! Am 12. Juni gehe ich noch mal zu Detleffsens für einen Abend! Gestern war Wilhelm. Diese Woche ist Anna Esser, die wilde Anna beerdigt worden. Sie muß furchtbar gelitten haben! Fronleichnam war Frau Plunz hier und verabschiedete sich. Am Dienstag geht sie für 4 Wochen nach Hönningen. Richard war Sonntag von Leipzig zurück gekommen,
! Dienstag für 6 Wochen auf Fahrt gegangen (Schweiz, Österreich). Er muß Erholung haben für seine Arme. Sie hat mir eine geschlagene Stunde nur von seinen
! hat es zurück an die Straße gestellt, wollte bis Konstanz mitgenommen werden mit Auto’s!
Erlebenissen in Leipzig erzählt. Also er war der Kerle! Hat prima gestanden mit allen Kursleitern. War überhaupt der beste Kursus. Hat einen griechischen Popen kennengelernt, den Gottesdienst besucht! Überhaupt, hatte den Mut vor der Front zu fragen, Sonntags zum Gottesdienst (zur hlg. Messe gehen zu dürfen). Hat ihnen seine Meinung gesagt, na, Du weißt ja. Ich kann mir das Ganze nicht zusammenreimen. Es ist mir zu unklar, der ganze Richard. Ich liebe das Gerade, Klare. Wer besser fährt, ich weiß es nicht! Aber, trotz alle dem! Geradeaus, mit Gott! Wenn man auch keine Reichtümer sammelt, oder Gelehrter wird, wie Richard! Das Familienleben der Plunz gefällt mir aber bestimmt nicht. Jeder geht seine Wege. Na, 4 Wochen habe ich jetzt Ruhe! Sie gibt mir soviel Ratschläge, wie früher Frau Esser! Na, ich tue, was ich will! –
Sonst wüßte ich nichts Neues. Die Kleinen von Heinr. sind gesund! Auch Anna + die Anderen! Tante Mal kommt heute aus Pforzheim i.d. Pfalz zurück! Ich will nun schließen. Einen frohen Sonntag, schöne sonnige Tage + viele Grüße und einen Kuß, alles von
Deiner alten Mutter, die Dich sehr lieb hat!
Wann kommst Du nach Wahn? Dann komme ich aber hin!