Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 6. Juni 1937
Soest, den 6. VI. 37.
Meine liebe, gute Mutter!
Vorgestern erhielt ich Deinen lieben Brief. Du weißt, wie ich mich darüber freue! Es ist richtig, dass Du jetzt fleißig die Sonne ausnutzt. Ich tue es auch, bin schon schön braun. Die Sonne ist die beste Medizin. Gewiß ich verstehe Deine Traurigkeit über Dein Alleinsein, aber bald ist es nicht mehr nötig traurig zu sein. Dann bin ich bei Dir. Ich danke dem lieben Gott, dass wir uns so gut verstehen. Dir danke ich besonders für Dein Vertrauen, daß Du mir schenkst. Ja, ich glaube es versteht Dich keiner besser als ich. Wie freue ich mich, wenn wir zusammen wieder planen können und anschaffen.
Ich freue mich so auf meine Arbeit. Ich habe Herrn Kirste nicht geschrieben werde es aber diese Woche besorgen. Ich gehe wenig aus. 1. Habe ich keine Lust und 2. wenig Geld. Zu 1. Es gibt zwar viel Unterhaltung aber hier wimmelt es von Dirnen, keine berufsmäßigen. Hier in dieser fruchtbaren Gegend fällt dem Menschen alles ohne viel Arbeit in den Schoß. Da werden sie leichtsinnig und leicht sinnlich. Ein gesunder Menschenschlag in üppiger Fülle groß geworden. Schade, dass diese Menschen sich selbst so ruinieren. Es ist nicht nur in Soest so, überall auf den Dörfern, die gleichen Umstände u. Verhältnisse.
Man wird als Soldat von den Mädels fast angepöbelt. Die alten Herrschaften scheinen das für selbstverständlich zu finden. Es scheint so als wenn die Soldaten dazu da wären. Die Gelüste der Damenwelt zu befriedigen. Roh ausgedrückt, aber hier tritt als dies mit einer brutalen und ekelerregenden Offenheit an’s Tageslicht. Schade, dass so mancher Kamerad darauf eingeht. Ich sprach mit einem verheirateten Kameraden. „Ich bin nur noch 3 ½ Monate Soldat, da muß ich mich noch schnell amüsieren!“ Auch ein Standpunkt. Aber Tiere haben mehr Moral.
Schlägt man die Zeitung auf liest man von Sexualverbrechen und Prozessen in einer Fülle, die einem mit Recht Sorge aufkommen läßt für den weiteren Bestand der Kirche in Deutschland. Wie weit das eingerissen ist. Und die kirchl. Behörden schweigen Wie kann das bei uns möglich sein. In Frankreich wird es nicht besser sein. Vor Jahren hörte man dort ja schon von dem leichten und wollüstigen Leben so vieler Kleriker. Der Herrgott schickt der Kirche viele Prüfungen. Hoffentlich können diese Elemente ohne Schaden ausgemerzt werden. Gott sei Dank verläuft die Sache in Spanien verhältnismäßig ruhig. Also Tante Anna ist tot. Ein arbeitsreiches, sorgenvolles Leben ging zu Ende. Gott wird ihr ein gnädiger Richter sein,. Wir wollen sie nicht zu schnell vergessen.
Hoffentlich verlebst Du einen ruhigen u. sonnigen Sonntag.
Viele liebe Grüße ein Kuß in Treue
Dein Junge