Anna Schmitz an Sohn Rudolf, 18. Juni 1937

Köln – Dellbrück, 18. 6. 1937.

Mein lieber Rudolf!

Was ist denn mit Dir los? Die ganze Woche, jeden Tag warte ich auf Post! Ich habe mir allerlei Gedanken gemacht! Ich hoffe und bete, dass Du wohlauf bist, und auch dass sonst alles in Ordnung ist, dass Du auch im Dienst nichts gehabt hast. Bist Du gesund an Leib + Seele? Bitte, gib mir so bald wie möglich Nachricht. Du kennst mich doch, wo ich den ganzen Tag allein bin, da denke ich an alles Mögliche + Unmögliche. Es ist ein bischen Unrecht, dass Du Mutter so in Sorgen läßt, wenn alles in Ordnung ist! Nur eine Karte, die besagt, alles beim Alten, das genügt. Also bitte bald Aufklärung. Du weißt ja, mein ganzes Denken dreht sich um Dich! Daß Du mir gesund bleibst + gut.. Möge Dich der liebe Gott gnädig heim führen! Schon ist der Juni auch fast herum, ein Tag geht dem Andern nach. Ich bin auch froh, wenn es erst mal so weit ist, daß Du nach Hause kommst! –

Am 6. Juli ziehen Bartz aus, und am 7. 7. kommen Jansen’s eben. Rudolf, ich habe es mir anders überlegt! Ich lasse das Wohnzimmer da, wo es ist. Das andere Zimmer ist so schmuzig, und ich kann + will es auch nicht machen lassen. Ich werde mal erst sehen, wie es sich mit den Jansen’s macht! Ich säubere das Zimmer vorn gründlich und dann schlafen wir da.

2) Wir können ja später noch immer ändern. So kann ich Gardinen + alles vorläufig lassen. Im kleinen Zimmer gibt’s das Arbeitszimmer. Das ist am praktischsten. Was meinst Du? Ich lasse noch nichts machen, man weiß ja nicht, ob die nicht noch Bekannte herkommen lassen. Eine Freundin der Frau Jansen war eben hier! Feine Leute sind’s nicht! Na, ich werde mich ganz zurück halten. Freundschaft will ich nicht! Es wird uns ja noch schwer werden, die viele Miete und jetzt noch die Maschine. 100 Mk habe ich bezahlt! Auch der Stoff ist erledigt, das schrieb ich Dir ja schon. Augenblicklich kann ich nichts anschaffen, ich verdiene wenig! Frl. Maus geht in Ferien, da sind noch keine Aussichten! Frl. Marga zieht am Dienstag aus! Na, die werden ja alle noch an Dellbrück denken. Maria tut überhaupt nichts mehr. Johanna kommt schon mal Frau Kurtz etwas helfen. Sie putzt auch das Haus nach dem Auszuge. Neues gibt es nicht viel. Ich war dieser Tage mal bei Anni + Klara. Anni muß jetzt auch rechnen. Die Jungens ziehen sich auch zurück. Karl kommt noch jeden Tag mal hin. Ja, jeder hat seine Sorgen. Elli kommt übermorgen zurück. Wie ist das nun mit Dir? Kommst Du nach Wahn? Hier kommen täglich viele Truppen durch! Alles nach Wahn! Es wäre fein, dann könntest Du doch noch mal nach Hause ko0mmen! Sonst siehst Du Bartz ja gar nicht mehr! Herr Bartz geht am wenigsten gern. Seinen Garten + sein Häuschen verlässt er ungern, ich kann es ihm nachfühlen! –

Ich hoffe also, von Dir baldigst Nachricht zu haben. Recht herzlich grüßt + küßt Dich Deine sich um Dich sorgende      

Mutter!