Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 26. Juni 1937
Soest, den 26. VI.
Liebe Mutter!
Auch diese Woche ist gut vorüber gegangen. Wie ich Dir schon schrieb ging es heiß her. In letzter Zeit brauchen sie mich mal wieder für Alles. Ich bin Geschützführer bei den vielen Übungen, Meldereiter, Richtkreisunteroffizier, sogar Futtermeister. Beschäftigung und Arbeit befriedigt mich doch mehr als Faulenzen und Drücken. Bald liebes Mütterchen bin ich wieder daheim. Ich freue mich, du glaubst gar nicht wie. Ich habe Herrn Kirste eine Ansichtskarte von der wundervollen Wiesenkirche geschrieben. Ich glaube ich werde mit ihm gut auskommen. Er ist so mein Typ, offen, jung, einfach, nicht zu feinfühlend er wird einen jungen Mann, vor Tagen noch Soldat gewesen gut verstehen können. Hoffentlich verstehen wir beide uns auch noch.
Gewiß, ich komme genau so wieder nach Haus, wie ich gegangen bin. Du verstehst mich? Ich habe mich keinem Mädel genähert, obwohl ich, offen gestanden, manchmal Lust zu einem Flirt gehabt hätte. Ich habe immer an Dich und an meine Zukunft gedacht. Vielleicht ist es ja etwas greisenhaft. Jung sein heißt tollen, stürmen und erobern. Und doch bin ich froh keine Abenteuer bestanden zu haben. Ich weiß nicht ich könnte Dir nicht mehr gut in die Augen sehen. Ja Mütterchen Mutteraugen sehen scharf, sind klar und tief und können Wunder tuen. Ich bin stolz auf meine starke, treue Mutter. Nur einen Fehler hast Du. Zuviel Sorge machst Du Dir um mich. Ich bin nun doch schon bald erwachsen. Ich muß mein Leben selbst leben und leben heißt kämpfen. Kampf aber kennt ein Oben und Unten. Kampf kann Niederlage bedeuten.
Nasenstüber bringt das Leben immer. Du weißt doch ich bin Optimist. So schnell lasse ich mich nicht unterkriegen. Hier beim Preußen habe ich ein dickes Fell bekommen.
Ich freue mich eine Arbeit von vorne, ganz unten anfangen zu können, Stein auf Stein zu setzen und aufbauen zu können. Ich habe viel nachzuholen. 2 Jahre in der Schule verschlafen und 2 ½ Jahre beim Preußen. Gewiß ich habe manches kennengelernt, was mir sonst fremd geblieben wäre.
Man soll nie etwas bereuen. – Punkt.
Ich habe wieder nur von mir gequasselt. Bist Du denn noch gesund? Was macht Deine Arbeit? Bei Bartz gibt es sicher nur noch ein Thema! Dieser schnelle, überschnelle Entschluß wird sicher noch bereut werden. So im Alter wieder in’s Ungewisse
gehen. Ich glaube, dass es Herrn Bartz sehr leid tut. Nur aus Affenliebe seinen Kindern gegenüber bringen die Eltern solch Opfer. Ich glaube ich würde von Dir so etwas nicht verlangen können. Wie schicken sich denn Anni und Klara. Die beiden müssen jetzt doch von Anni’s Arbeit leben.
Ist bei Oma noch alles beim Alten? Heinrich und Onkel Willi sind in der Wahner-Heide? Was machen Heinrich’s Kleine und Johanna? Ist Elli wieder zurück? Bei Schlössers was Neues? Sonntag, also morgen in 14 Tagen denk ich, komm ich einmal vorbei. Ich werde auf meiner Dienstreise alles inspizieren.
Bis dahin wünscht Dir alles Gute und es küßt Dich
Dein Junge.