Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 10. Dezember 1940
Godesberg, den 10.12.40
Mein Lieber!
Ich sitze mal wieder am warmen Ofen oder schon beinahe drin, habe den Magen voll Pellkartoffeln (da wäre wohl ein Brombeergeist gut, denke ich). Es ist vertrackt. Vor ein paar Tagen habe ich die Flasche aufgemacht, und abends fällt mir dann immer etwas ein, gegen das ich mir ein Glas genehmigen könnte. Aber das gibts heute abend nicht. Oder vielleicht doch? Ich habe nämlich eben die Abrechnung Rau und Mathieu fertiggestellt, ich bin ordentlich stolz darauf. Auch die Ass-Abrechnung habe ich im November ganz allein gemacht, weil ich Herrn Becker verpasste. Vorgestern kommt nun ein Schreiben von Herrn Silbermann, Er möchte gerne wissen, wie ich zu der Summe gekommen bin und zu einer Inkassoprovision von 1,46. Ich weiss es ja auch nicht. Ich habe nun wieder nachgerechnet, und habe wieder was anderes rausbekommen, als Herr Silbermann mir nun vorgerechnet hat. Das liegt bestimmt an meinem platten Hinterkopf, dass ich nicht rechnen kann. Meinst du nicht auch? Siehst Du nun, dass ich Dich doch sehr nötig brauche? Und auch sonst.
Ich lebe in solcher Spannung, ob das Urlaubsgesuch durchgeht. Wann, meinst Du wohl, können wir es wissen? Ich muss Dir ja sonst ein Weihnachtspaket schicken, und wenn wir es nicht zeitig wissen, sitzt Du ohne eins da. Die Gestapo hat heute wieder geschrieben. Die bestellt Dich zum Verwalter, weil der Kaufvertrag Theis nicht genehmigt worden ist. Die laufenden Ausgaben müssen bezahlt werden, nur bei größeren Reparaturen muss erst angefragt werden. (Draußen fängt es an zu bummsen.) Dann schrieb Wöller, er möchte Dich wegen der Elberfelder Grundstücke sprechen, und auch Knapp, der Dich ebenfalls sprechen möchte. Beide warten auf Deinen Urlaub.
Hast Du heute auch die Führerredegehört? Ich habe an Dich gedacht und mich mit Dir verbunden gefühlt, weil wir beide dann dasselbe hörten.
Helga hat ihr Gedicht heute sehr niedlich aufgesagt. Aber im Übrigen war dieser Frauenverein doch ein Vorfriedhof, wie Frau Weiler sagen würde.
Fräulein Maria Weber hat heute geschrieben und uns das Haus Goebenstrasse zum Wiederverkauf an die Hand gegeben. Schön, was? Herr Krefting hat sich trotz meiner Rechnung noch nicht gemeldet. Ich schreibe morgen früh wieder, aber energisch.
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Drüben sitzen die Mütter und unterhalten sich über Dein eventuelles Kommen. Sie sitzen voll guter Ratschläge für Dich und mich. Ich glaube, am liebsten hielt man Dich ganz unter Bewachung,
damit Du Dich ja recht ausruhst und Deine Kräfte schonst. Und die Omis haben schon Angst, dass ich Dich zu abendlichen Ausflügen ins Rheinland verleiten könnte und Du kämest dann zu spät ins Bett. Ach, Pappi, ich freue mich ja soooo sehr und ich lasse mir darin bestimmt keine Vorschriften machen. Ich finde es schon traurig genug, dass ich Dich die meiste Zeit mit den Anderen teilen muss. Und weil ich mich so freue, müssen die anderen bremsen.
Ach, Harald, ich lese Deine letzten Briefe mit Deinen lieben Worten drin immer wieder. Ich bin sogar auf dem einen Brief eingeschlafen.
Ach, jetzt habe ich die ganze Zeit wieder gerechnet. Ich schrappe alle Verwaltungsprovisionen zusammen, denn sonst komme ich diesen Monat nicht aus wegen der bezahlten Rechnungen. Aber es wird schon.
Jetzt wird Jürgen versorgt. Gute Nacht!
Deine Lotti.