Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 15. März 1942

Jever, den 15.3.1942

Mein liebes Lottenkind,

heute ist Sonntag und die anderen sind im Kino, sodaß ich etwas Ruhe habe, Dir zu schreiben. Ich habe jetzt ganz langsam die Möglichkeit, hier einigermaßen zu leben, ausgekundschaftet. Es gibt hier nämlich wie in jeder neuen Kaserne einen sehr hübschen Unterhaltungsraum, wo man auch ein Glas Bier bekommen kann. Den Lanzern ist er zu vornehm sie gehen lieber in irgendwelche Rabatzbuden in Jever. Infolgedessen ist ist fast immer stehen und gemütlich. Dort setze ich mich mit einem Buch, aus der wirklich guten Bibliothek.. Im Augenblick lese ich „Generäle, Geishas und Gedichte“, weil mich das im Zusammenhang mit den Ereignissen im fernen Osten im Augenblick am meisten interessiert. In diesem Unterhaltungsraum musst Du mich also in Gedanken suchen, wenn Du abends an mich denkst. Er hat Parkettfußboden, die Tische sind mit netten bunten Tischdecken belegt, die hohen Fenster haben hübsche Buntdruckübergardinen, die Lampen sind hübsch, kurz und gut der Raum ist wohltuend und gemütlich. Dort trinke ich dann 1-2 Glas Bier am Abend und lese oder unterhalte mich in selteneren Fällen mit Kameraden. Bis 12 Uhr dürfen wir dort sein. Dann genieße ich eine andere Annehmlichkeit ausgiebig, und das sind die warmen Brausen, die – ein ganz seltener Fall beim Kommiss - auch funktionieren. In Wangerooge gab es auch irgendwo Brausen, die mussten, da alle Hähne abgebrochen waren, mit einer Zange bedient werden. Die Folge war, daß das Wasser entweder eisig oder kochend war. Ich hatte es aufgegeben, damit je fertig zu werden. Hier funktioniert nun alles und man kann wunderbar regulieren. Es ist also eine herrliche Beschäftigung für den Abend, sich stundenlang zu duschen und dann ins Bett zu kriechen.

Übrigens wird der Abend mit zunehmendem Frühjahr immer kürzer, solange es hell ist, müssen wir auf unsere Abteilung bleiben. Das ergibt für den Sommer die Aussicht, bis 10,30 im Dienst zu sein. Vor dem Sommer machen sie einen hier alle graulich, aber es wird schon nicht so heiß gegessen werden, wie es gekocht wurde. Im Augenblick, das ist ja wahr, sitzen wir um 20,00 Uhr noch brav auf unseren Geschäftszimmern.

Ein Kamerad hat mir gestern auch die Bilder nach geschickt, die ich in Wangerooge zum Entwickeln weggebracht hatte, aber nicht mehr abholen konnte. Du siehst daraus, daß ich nicht übertrie- (Am Rand: Willst Du nicht trotz aller Kosten das Holländische Mädchen nehmen. Sie sind meist sauber und vielleicht helfen Dir Mutter etwas oder man erläßt Dir einen Posten?

 

ben habe, wenn ich von einer Polarlandschaft schrieb. Dieser Winter hat die gute alte Nordsee arg vergewaltigt. Die Wangerooger selbst hatten so etwas noch nicht erlebt. So weit das Auge sehen konnte nichts als Eis. Dabei muss man bedenken, daß Meerwasser infolge seines Salzgehaltes schlechter friert, als Süßwasser. Wenn man in der Gletscherlandschaft herum kletterte, dann traf man immer wieder Eis an, das vollkommen schaumig war und eine nicht trug. Ich bin einmal bis an die Brust eingebrochen und steckte vollkommen im Eisschaum drin, sodaß ich alleine garnicht raus konnte, sondern von Kameraden herausgezogen werden mußte.

Wir haben jetzt seit 2 Tagen Temperaturen, die etwas über dem Gefrierpunkt liegen, nachdem es vorher nochmals Stein und Bein gefroren hatte. Ob es doch langsam Frühling werden will?

Ich muß jetzt auch das Päckchen mit der Schokolade abschicken, sonst erliege ich noch in dem Kampf, den ihr Anblick täglich in mir auslöst. Da die Schokolade in der Hauptsache für die Kinder gedacht ist, lege ich für min Lött zum Trost auch eine Überraschung ein, was sage ich nicht, aber Du wirst Dich freuen.

Lotting, kannst Du mir nicht die Feldpostnummer von Theo besorgen? Ich möchte ihm so gerne schreiben.

Wie geht es dem armen kleinen Jürgenmann? Liegt er auch in Lebertran, wie damals Klaus? Das er nicht knatschig ist, ist ja ein Glück.

Ich interessiere mich so für die Unräumung unseres Hauses, daß Du mir ganz genau (am besten mit Skizze) schreiben mußt, wie Ihr es machen wollt. Das Ziel aller Veränderungen muss ja sein Arbeit und vor allem Lauferrei zu sparen. Wenn Dich die Tapete im Salon stört – ich kann das gut verstehen, – würde die Wirkung aber doch erst ausprobieren, – dann lass sie doch großer überstreichen. Das kann nicht sehr teuer sein.

Unter den eingelegten Bildern befinden sich auch solche von unserer Bude auf Wangerooge, die allerdings schon älter sind, wie Du schon daraus ersehen kannst, daß Walter Maiss noch drauf ist. Ein weiteres Bild zeigt unserem Gefechtsstand nach dem Bombenwurf. Auf dem Bild ist nicht viel zu erkennen, da ich nicht nahe ran konnte, da fotografieren verboten war und ich es heimlich machen mußte. Zwischen den Soldaten im Vordergrund und dem Barackenrest, in dem übrigens unserer Bude liegt, ist unsichtbar auf dem Bild der große Bombentrichter (etwa

4 ½ m tief) mit einem Durchmesser von etwa 8 m.

Ich grüße Dich und die Kinder und die Omis recht lieb und gebe Dir einen recht festen Kuß

Dein